uni.liUniversitätMedienportalMedienmitteilungenVaduz wird zum Davos der Nachhaltigkeit

Vaduz wird zum Davos der Nachhaltigkeit

Zum dritten Mal haben hunderte Teilnehmer am LISDAR teilgenommen. In einer von Klimawandel, Ölpeak, Überkonsum und Ressourcenknappheit geprägten Welt haben nur nachhaltige Unternehmen eine Überlebenschance. Der Finanzplatz spielt in der Wende zur Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle.

Zum dritten Mal haben hunderte Teilnehmer am Liechtenstein Kongresses für nachhaltige Entwicklung und verantwortungsvolles Investieren teilgenommen. In einer von Klimawandel, Ölpeak, Überkonsum und Ressourcenknappheit geprägten Welt haben nur nachhaltige Unternehmen eine Überlebenschance. Der Finanzplatz spielt in der Wende zur Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle.

Die Welt steht vor der grössten Herausforderung in der Geschichte der Menschheit. Der Klimawandel, die Ressourcenknappheit und die wachsende Weltbevölkerung machen es nötig, dass Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig werden müssen. «Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein Kampf um die Zukunft der Zivilisation», sagte Lord Giddens zum Auftakt des Liechtenstein Kongresses für nachhaltige Entwicklung und verantwortungsvolles Investieren (LISDAR) in Vaduz. «Aber es ist ein Kampf, den die Menschheit zu verlieren droht», fügte der Soziologe und ehemalige Direktor der London School of Economics hinzu.


Lord Antony Giddens, Fellow of King’s College Cambridge und Emeritus Professor an der London School of Economics


Chance für Wirtschaft und Gesellschaft

Der von Peter Droege, Professor für nachhaltige Raumplanung an der Universität Liechtenstein, initiierte und geleitete Kongress fand vom 2. bis zum 4. Mai 2012 bereits zum dritten Mal an der Universität Liechtenstein statt. Hunderte Redner und Teilnehmer aus aller Welt nutzten die Gelegenheit, an diesem globalen Forum für einige der wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart teilzunehmen. Sie einte die Überzeugung, dass nur eine nachhaltige Wirtschaft stabil sein könne – und dass sie Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft biete. Denn wie es ihre ursprüngliche Definition von 1713 besagt, gibt es echte Nachhaltigkeit nur bei einer völlig erneuerbaren Ressourcenbasis.


Prof. Peter Droege, Institut für Architektur und Raumentwicklung an der Universität Liechtenstein


Auch diesmal unterstützte die Politik das Anliegen des Kongresses. Für Liechtensteins Regierungschef Klaus Tschütscher bildet LISDAR einen wichtigen Beitrag auf der Suche nach Lösungen. «Der hier stattfindende Austausch über praxisbezogene Forschung, neue Methoden und die beste Praxis befruchtet das Entstehen der dringend notwendigen Konzepte für mehr Nachhaltigkeit in unserem Leben», sagte er in seiner Begrüssungsansprache.


Anleger wollen Nachhaltigkeit

Der erste Tag des Kongresses war dem nachhaltigen Investment gewidmet. Nachhaltigkeit ist nur möglich, wenn sie bei finanziellen Entscheidungen berücksichtigt wird. So wies Cath Tillotson, Chefinvestmentberaterin bei Scorpio Partnership in London, darauf hin, dass Anleger die Herausforderungen, vor denen die Welt steht, zunehmend als Chance denn als Gefahren sähen. Gerade Stiftungen spielen eine wichtige Rolle beim Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft. Es sei nicht immer leicht, Nachhaltigkeit und Verantwortung in die Investmentstrategien von Stiftungen einzubeziehen, aber es bringe einen klaren Nutzen mit sich, sagte etwa Nicolas Venier von der Fondation de Luxembourg. Der Wechsel zur Nachhaltigkeit bringt auch neue Anlagethemen hervor, von Mission bis Impact-Investment. Dazu gehören etwa auf echten Bedarf und niedrige Kosten getrimmte Mikrofinanzlösungen, aber allen voran der breite Wechsel zu erneuerbaren Energien.

Christa Velasquez, vom Hauser Center für Non-Profit Organisationen der Harvard Universität, stellte eine breite Landschaft an Potenzialen vor, und Ivo Knöpfel, Gründer des Beratungsunternehmens onValues, und Jon Cracknell, Direktor der JMG Foundation London, begeisterten durch ihren pragmatischen Optimisimus.




Nachhaltige Architektur als Geschäftsstrategie

Der zweite Tag des Kongresses, eröffnet durch die für Raumplanung zuständige Regierungsrätin Renate Müssner, widmete sich der Nachhaltigkeit in Architektur, Immobilienwirtschaft und der Infrastruktur. Die Zukunft gehöre nachhaltigen Städten sowie Regionen, die ihre Energie selber produzieren, sagte Peter Droege. Die technischen Voraussetzungen dafür sind gegeben. Nun ist es an der Zeit, sie zu nutzen. Wie der Architekt Stefan Behnisch erläuterte, stellt verantwortungsbewusste Architektur auch ein vernünftiges Geschäftsmodell für Architekten dar.

Allerdings braucht eine nachhaltige Architektur auch Nutzer, welche selber nachhaltig leben wollen, wie Ingela Lindh, Direktorin für Stadtentwicklung der Stadtverwaltung der schwedischen Hauptstadt, am Beispiel des Ökoquartiers Hammarby Sjøstad erläuterte. Das ehemalige Industrieareal ist heute ein Quartier, das Menschen anzieht – selbst wenn noch nicht alle ökologischen Ziele erreicht sind. Noch dringender ist nachhaltige Stadtentwicklung in Asien. Die rasche Urbanisierung habe dort eine Krise im Umgang mit Wasser und mit dem Boden ausgelöst, sagte Steffen Lehmann, Professor an der Universität von Südaustralien. Doch inzwischen biete die rasch wachsende Region einige der interessantesten Beispiele nachhaltiger Stadtentwicklung, durch Methoden, den Ressourcen- und Abfallfluss in Kreisläufe zu verwandeln.



Treiber des Wettbewerbs

Eine der grössten Herausforderungen ist die Finanzierung nachhaltiger Städte und nachhaltiger Infrastruktur. Laut Roger Baumann, Chef für Immobilienentwicklung und Nachhaltigkeit der Credit Suisse Real Estate Asset Management, wird Nachhaltigkeit immer mehr zu einem Treiber des Wettbewerbs im Immobilienmarkt in Europa. Immobilienentwickler, die hier zurückbleiben, fallen im Wettbewerb zurück. Nachhaltige Urbanisierung bringt Natur und Landwirtschaft in die Stadt zurück, sagte Hans-Peter Schmidt, Forschungsdirektor des Delinat-Instituts. Dies erhöhe die Lebensqualität. Der neue Trend brauche die Zusammenarbeit zwischen Stadtplanern, Architekten, Ingenieuren, Sozialarbeitern und Unternehmen, fügte Viraj Puri hinzu. Sein Unternehmen Gotham Greens hat in New York ein riesiges Gewächshaus auf einem ehemaligen Industriegebäude errichtet. Als einer der wenigen Betriebe der Stadt stellt es wirklich lokale Lebensmittel her.


Management muss sich neu erfinden

Der dritte Tag von LISDAR konzentrierte sich auf verantwortungsbewusste Geschäftsmodelle und Informationssysteme. Nachhaltigkeit schaffe Wettbewerbsvorteile für Unternehmen, schränke Risiken ein und verbessere die Beziehungen mit wichtigen Partnern, sagte Moritz Loock, Assistenzprofessor am Good Energies Lehrstuhl für das Management erneuerbarer Energien an der Universität St.Gallen. Die Fähigkeit zu nachhaltigem Wirtschaften könne über das Schicksal von Unternehmen entscheiden, fügte Stefan Güldenberg hinzu, Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Management und Dekan der Graduate School der Universität Liechtenstein. Die entscheidende Frage sei, ob das Management fähig ist, sich selber zu erneuern und sogar neu zu erfinden.

Nachhaltige Unternehmen produzieren Produkte in Kreisläufen, wie es etwa die Backhausen interior textiles GmbH im österreichischen Hoheneich tut. Sie kümmerten sich um biokulturelle Diversität, wie Barbara Fuchs ausführte, Dozentin im Van Riemsdijk Lehrstuhl für Unternehmertum an der Universität Liechtenstein.
Informationstechnologien könnten helfen, Unternehmen nachhaltig zu machen, sagte Daniel Schmid, Chef Nachhaltigkeit des deutschen Softwaregiganten SAP. Denn dazu sei Transparenz nötig. Allerdings müssten die üblichen Standards zur Bewertung der Wertschöpfungskette entsprechend angepasst und erweitert werden, um die «grünen» Ziele abzubilden, erläuterte Thomas A. Weber, Direktor des Instituts für Technologiemanagement und Unternehmertum an der ETH Lausanne, am Beispiel der «grünen Logistik».


S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein und Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein Klaus Tschütscher beim LISDAR 2012.


Ethik muss Wirtschaft prägen

Der Wechsel zu einer nachhaltigen Wirtschaft hat begonnen, aber er ist noch lange nicht abgeschlossen, sagte Dennis Pamlin, Director des UN Global Compact Projektes «Cluster des 21. Jahrhunderts» und Global Policy Advisor für die Globale e-Nachhaltigkeitsinitiative, hielt den Abschlussvortrag. Erst wenn über einen nachhaltigen Lebensstil und nachhaltige Geschäftsmodelle hinaus ethische Überlegungen Wirtschaft und Gesellschaft prägten, sei die Welt in der Nachhaltigkeit angekommen.

Medienmitteilung und Fotos
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