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Der Währungsentscheid hat zwei Seiten

Im Januar hat die Schweizerische Nationalbank ( SNB ) die Euro-Franken-Bindung nach über drei Jahren aufgehoben. Unausweichlich, doch der Zeitpunkt war nicht ideal, sagt Wirtschaftswissenschaftler Michael Hanke. Letztlich verbindet er mit der Situation auch Chancen.

von Yvonne von Hunnius

Sie haben die Periode der Euro-Franken-Bindung analysiert und Ihre Ergebnisse im letzten Oktober bei einem SNB-Anlass vorgestellt. Hätten Sie geraten, mit der Aufhebung zu warten?

Nein, warten war nicht möglich. Deshalb musste die SNB auch so hektisch handeln. Ein frühzeitiger Ausstieg wäre möglich gewesen und hätte wahrscheinlich weniger dramatische Folgen ausgelöst – etwa 2013, als der Wechselkurs sich gefangen hatte und bei 1,23 Franken pro Euro lag. Auch die Verkündung am späten Vormittag eines Wochentags war nicht ideal. An einem Wochenende hätte der Entscheid nicht derart drastische Auswirkungen auf die Märkte gehabt.

Was hat die SNB zum hektischen Handeln veranlasst?

Die massiven Spekulationen Ende 2014 und Januar 2015 haben wohl auch die SNB überrascht. Und als klar wurde, dass die Europäische Zentralbank durch ein Anleihen-Ankaufprogramm mehr Geld in den Markt pumpen will, lag auf der Hand: Unter diesen Umständen ist nicht möglich, die Untergrenze dauerhaft zu verteidigen.

Hört die SNB ausreichend auf Forscher, die sich mit Franken-Themen beschäftigen?

Das tut sie. Sie weiss genau, wo relevante Forschung betrieben wird. Ich bin überzeugt, dass der SNB-Entscheid gut fundiert ist – selbst wenn die Gründe nicht offengelegt werden können.

Ich bin überzeugt, dass der SNB-Entscheid gut fundiert ist – selbst wenn die Gründe nicht offengelegt werden können.
Kann man darauf hoffen, dass die SNB bald erneuteine Währungsbindung einführt?

Nein. Kurz- bis mittelfristig ist das nicht möglich. Solche Massnahmen leben davon, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer daran glaubt, dass die SNB ihre Versprechen umsetzt. Wenn die Erfahrung gemacht wurde, dass die Bindung überfallsartig aufgehoben wird, dann ist auf Jahre hinaus nicht genug Vertrauen vorhanden.

Sie haben zu Zeiten der Anbindung errechnet, wo der Kurs ohne diese Massnahme läge. Was wird dadurch ersichtlich?

In ähnlichen Stress-Situationen wie heute – beispielsweise 2012 – haben wir einen latenten Kurs von 1,05 Franken pro Euro ermittelt. Das heisst: So hätte der Kurs ohne die Anbindung ausgesehen. Also war die Bindung erfolgreich: Es ist gelungen, der hiesigen Wirtschaft eine Verschnaufpause zu verschaffen. Sie hatte Zeit, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Wenn eine Wirtschaft erfolgreich ist wie im Frankenraum, dann kommt Aufwertungsdruck auf. 2011 kam jedoch eine ungesunde Dynamik hinzu, die die Notenbank durch die Anbindung dämpfen wollte. Das hat funktioniert – dabei war klar, dass es eine Lösung auf Zeit ist.

Hat die Wirtschaft – beispielsweise im Alpenrheintal –die Zeit gut genutzt?

Es ist viel passiert. Die Steigerung der Effizienz, der Wettbewerbsfähigkeit stand bei vielen Unternehmen auf der Tagesordnung. Dennoch gibt es Bereiche, in denen der Lauf der Zeit nicht aufzuhalten und für die der Frankenraum zu teuer ist. Je weniger Know-how-lastig ein Produkt oder eine Dienstleistung ist, desto weniger ist der Frankenraum geeignet. Dabei wirkt die Wechselkursentwicklung nur beschleunigend. Je spezieller das Angebot, desto grösser die Chancen. Hier konnten viele Unternehmen Effizienzpotenziale heben.

Mit welchen Hürden müssen exportorientierte KMU rechnen?

Die Situation bietet zwei Herausforderungen. Es ist ein Verlust in der Absatzmenge zu verkraften: Die Wettbewerbsbedingungen machen es schwieriger, sich gegen die Konkurrenz preislich zu behaupten. Zudem geht ein Gutteil der Produkte in Wirtschaftsräume, deren Währung schwächer geworden ist. Das bringt einen zusätzlichen Verlust auf der Währungsseite.

Kunden mit Fokus auf einen kurzfristigen Gewinn sind nicht die Zielgruppe hiesiger Finanzdienstleister.
Was raten Sie Unternehmen, um gegenzusteuern?

Beide Herausforderungen erfordern unterschiedliche Massnahmen. Das aktuelle Kursniveau bedingt, dass man eventuell noch stärker auf Know-how und Qualität beim Angebot setzen muss. Zudem kämpft man mit Kursschwankungen und der Unsicherheit, welchen Wert Waren in wenigen Monaten haben. Der Kurs hängt weniger von der Entwicklung im Frankenraum ab. Er wird kurzfristig getrieben von den politischen Entwicklungen in der Eurozone. Unternehmen können sich aber absichern: Währungssicherungsgeschäfte helfen, Risiken zu minimieren.

Welche positiven Effekte sehen Sie in der Währungssituation?

Schauen Sie auf die Geldströme, die aufgrund der Euro-Unsicherheit in den Franken geflossen sind. Das hat ja dazu geführt, dass der Franken an Wert gewonnen hat. Diese Bewegungen sind zuvorderst in dem Segment zu beobachten, in dem viele Liechtensteiner und Schweizer Banken unterwegs sind: im Privatkundengeschäft mit langfristiger Orientierung. Der Wechselkurs selbst ist aber nicht hilfreich, weil die Finanzdienstleistung an sich teurer wird.

Was überwiegt?

Netto hat es einen positiven Effekt. Viele Menschen wollen ihr Geld in eine stabilere Währung und auch physisch in eine Region bringen, die stabiler erscheint. Das ist ein Wettbewerbsfaktor, der auch für die nächsten Jahrzehnte bestehen bleiben dürfte. Kunden mit Fokus auf einen kurzfristigen Gewinn sind nicht die Zielgruppe hiesiger Finanzdienstleister. Wer sich die Schwankungen über mehrere Jahrzehnte anschaut und eine nachhaltige Kundenbeziehung sucht, der sieht: Eine Franken-Anlage ist eine gute Investition.

Inwiefern ist es jetzt noch fürangehende Studierende aus dem Euro-Raum attraktiv, sich für ein Studium an der Universität Liechtenstein zu entscheiden?

Kurzfristig betrachtet, steigen für sie Studiengebühren oder andere Kosten. Wer beispielsweise in Feldkirch wohnt und hier studiert, hat aber wenig Einbussen, denn die Studiengebühren machen nur einen kleinen Teil seines Budgets aus. Andererseits wird es für ihn noch attraktiver, im Frankenraum zu arbeiten. Für viele Studierende ist ein Studium in Liechtenstein eine Eintrittskarte. Klar ist, dass wir momentan rund 30 Prozent mehr Bewerber um Studienplätze als im letzten Jahr haben.

Zur Person
Prof. Dr. Michael Hanke ist Inhaber des Lehrstuhls für Finance und Prorektor für Lehre an der Universität Liechtenstein. Im Rahmen der Arbeit mit dem übersetzten Titel «Wo wäre der Wechselkurs ohne die Euro-Franken-Bindung?» ermittelte er mit Rolf Poulsen und Alex Weissensteiner, einen latenten Frankenkurs während der Zeit der Währungsbindung. Die Wissenschaftler betrachteten die Garantie, einen Euro für mindestens 1,20 Franken umtauschen zu können, als eine Option. Diese hatte für Investoren einen berechenbaren Wert. Der latente Frankenkurs ergab sich durch Abzug des Werts der Option vom beobachtbaren Wechselkurs.

Hanke, Michael and Poulsen, Rolf and Weissensteiner, Alex, Where Would the EUR/CHF Exchange Rate Be Without the SNB's Minimum Exchange Rate Policy? Journal of Futures Markets, im Erscheinen.

* Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Mai 2015 Ausgabe des Wissensmagazins Denkraum.