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Wer hat Angst, warum und wovor?

Beim letzten Campus Gespräch des aktuellen Studienjahres ging es um die «Angst nicht mithalten zu können oder sich selbst zu verfehlen». Referent des Abends war Prof. Dr. Heinz Bude, Soziologe, Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel und am Hamburger Institut für Sozialforschung Leiter des Arbeitsbereichs „Die Gesellschaft der Bundesrepublik“. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Generations-, Exklusions- und Unternehmerforschung.
Prof. Bude eröffnete seinen Vortrag mit einem Studienergebnis: In Deutschland ist sich die Altersgruppe der 55-75-Jährigen sicher, dass es ihre Kinder und Enkel in Zukunft schwerer haben werden als sie selbst und die Gruppe der 30-55-Jährigen kommt zum gleichen Resultat. Spannend war dann aber bereits die Begründung für diese beiden Einschätzungen, denn die unterschieden sich gewaltig. So sahen die Eltern und Grosseltern  die Ursache für das schwerere Los ihrer Nachkommen in der immer komplizierteren Welt, die politisch immer unübersichtlicher wird und ökologisch bedroht ist. Für die jüngeren Befragten lag die Problematik aber nicht in einer sich verdunkelnden Welt, sondern an den eigenen hohen Erwartungen. Insbesondere wenn es um den eigenen Nachwuchs geht, sehen sie einen hohen Belastungsfaktor darin, dass man Kinder nicht mehr so unbeschwert wie in früheren Generationen aufziehen könne, sondern viel mehr zu berücksichtigen sei.

Wieder mehr Kinder
Doch trotz dieser Schwierigkeit konnte Prof. Bude in seiner Forschung feststellen, dass seit 2014 gerade Frauen mit einem Universitätsabschluss wieder mehr Kinder (2+) bekommen. Er fand einen Erklärungsversuch in der Feststellung, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kindern die einzig unkündbaren Verbindungen seien, während alle anderen Arten von Beziehungen – im Privaten wie im Arbeitsbereich – immer stärker trennungsgefährdet seien. Zur Unterstützung ihrer Enkel leisten Grosseltern derzeit private Transfers in bislang ungekanntem Ausmass für deren Bildung, um sie so auf die Unwägbarkeiten der Zukunft bestmöglich vorzubereiten.

Angst als Thema der Politik
In einem zweiten Teil ging Prof. Bude auf gesellschaftliche Ängste ein: Während das bisherige Gedankenmodell des Neoliberalismus eine Gesellschaft aus der Summe einzelner Starker bestand, ist heute die innere Orientierung verloren gegangen und die populistischen Parteien gewinnen immer mehr Anhänger. Zur Angstlinderung vor einer immer unsichereren Zukunft bieten sie eine «exklusive Solidarität», d.h. eine Solidarität nur untereinander, nicht mit den jeweils «anderen». Angst ist damit zu einem Thema der Politik geworden.

Dieser Fokussierung auf die Angst vor Einwanderung, Überfremdung, Verlust des Lebensstandards und anderem stellte der Referent ein Franklin D. Roosevelt-Zitat entgegen: «Das Einzige was ich euch nehmen kann, ist die Angst vor der Angst.» Bude er klärte, dass Scheitern immer möglich sei, doch dass genauso immer Hoffnung auf eine bessere Welt bestehe.

Im anschliessenden Podiumsgespräch mit Dr. Monika Litscher, Leiterin des Center für Geistes- und Kulturwissenschaften, und Dr. Roman Banzer, Leiter Hochschuldidaktik am Center für Universitätsentwicklung, wurde zusammen mit dem Publikum das Gehörte weiter diskutiert, bevor der Abend bei einem Apéro ausklang.