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Insurance Distribution Directive, IDD IV

Der Propter Homines Lehrstuhl für Bank- und Finanzmarktrecht durfte am 12. November 2019 rund hundert Vertreterinnen und Vertreter der Versicherungswirtschaft zum vierten Teil der Veranstaltungsreihe zur neuen europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution Directive, IDD) im Auditorium der Universität Liechtenstein begrüssen.

Nach der Begrüssung durch Prof. Dr. Nicolas Raschauer, Prorektor der Universität Liechtenstein und Leiter des Instituts für Wirtschaftsrecht, widmete sich die Veranstaltung einer breiten Palette aktueller Fragestellungen zur IDD. Zum Einstieg erläuterte Thomas Kraler von der FMA Liechtenstein die neuen Regeln zur Product Oversight and Governance (POG), die Hersteller und Vertreiber von Versicherungsprodukten zur Durchführung eines internen Produktgenehmigungsverfahrens und zu einer Zielmarktdefinition verpflichten. Er hob die Bedeutung dieser Regeln für den Finanzplatz Liechtenstein hervor und verwies auf Q&As der FMA Liechtenstein und der EIOPA.

In der Folge untersuchte Bernhard Burtscher, Postdoktorand am Propter Homines Lehrstuhl für Bank- und Finanzmarktrecht, das Provisionssystem nach der IDD. Die Provision gilt gerade im deutschsprachigen Raum immer noch als Leitvergütung im Versicherungsvertrieb; das Provisionssystem ist aber durch die IDD unter Druck geraten. Burtscher skizzierte die neuen Provisionsvorschriften der IDD und der dazugehörigen Delegierten Verordnung der Europäischen Kommission und erörterte Rechtsfolgen möglicher Verstösse dagegen, wie zivilrechtliche Schadenersatz- und Herausgabeansprüche.

Bernhard Arbogast, CEO der Allianz Risk Transfer AG in Schaan, widmete sich aus praktischer Perspektive den Grossrisiken. Er hob die wirtschaftliche Bedeutung von Grossrisiken hervor und ging insbesondere auf multiple Schadensszenarien, Naturkatastrophen oder Clash-Szenarien wie Flugzeugabstürze ein. Weiters erörterte Arbogast die neuen Vorschriften der IDD für Vertreiber von Versicherungen über Grossrisiken, wobei er der Rückversicherung besonderes Augenmerk schenkte.

Sodann widmete sich Alexander Wilfinger von der Universität Hamburg dem grenzüberschreitenden Versicherungsvertrieb. Er erörterte das Spannungsverhältnis zwischen den europäischen Grundfreiheiten und dem Verbraucherschutz. Wilfinger untersuchte, inwieweit die Ausübung der Grundfreiheiten im Rahmen des Internationalen Privatrechts durch nationale Regeln zum Schutz des Allgemeininteresses („General Good Provisions“) beschränkt werden darf. Er lotete dabei auch die Gestaltungsmöglichkeiten für Versicherer und Vermittler mithilfe von Rechtswahlklauseln aus.

Angela Matthes, CEO der Baloise Life (Liechtenstein) AG in Balzers, stellte schliesslich eine federführend vom Liechtensteinischen Versicherungsverband entwickelte Orientierungshilfe für die Umsetzung von PRIIPS vor. Diese soll Vertreibern die zeitgerechte Erstellung des erforderlichen Key Information Document (KID) ermöglichen und die Compliance mit europarechtlichen Vorschriften erleichtern. Entwickelt wurde dabei ein generisches KID pro Produkt sowie ein anlagestrategiespezifisches Informationsblatt pro wählbarer Anlagestrategie. Dafür empfahl Matthes einen vorsichtigen Performance- und Kosten-Ausblick.

Andreas Glaser, Rechtsanwalt und Head of Life Legal, Claims&Contracts, PartnerRe, Zürich, erörterte dann das Potential der Blockchain-Technologie. Er identifizierte Einsparungspotentiale am gesamten Versicherungsmarkt und spannte dabei einen Bogen von Flugversicherungen bis zur Versicherung von Viehbeständen. Für Glaser ist der Einsatz der Blockchain-Technologie daher keine Frage des „ob“, sondern ausschliesslich eine Frage des „wann“. Die Digitalisierung wird also auch am Versicherungsmarkt in naher Zukunft für grosse Umwälzungen sorgen.

Den aktuellen politischen Umwälzungen in Europa rund um den „Brexit“ trugen zum Abschluss David Karl Jandrasits und Lukas Rattacher von Schwärzler Rechtsanwälte in Schaan Rechnung. Sie warnten vor den Konsequenzen eines No Deal-Brexit für die Tätigkeit liechtensteinischer Versicherer am britischen Versicherungsmarkt, der zu den bedeutendsten in Europa zählt. Gleichzeitig erörterten sie Chancen und Risiken für liechtensteinische Versicherer, ihre Geschäftstätigkeit in Grossbritannien auch bei einem ungeregelten Austritt weiterhin erfolgreich fortzuführen. Auch bei einem geregelten Austritt Grossbritanniens aus der EU prognostizierten sie freilich erhebliche Rechtsunsicherheit für alle Marktteilnehmer.

Auch im vierten Teil der vierteiligen Veranstaltungsreihe zur IDD, die in freundlicher Kooperation mit dem Liechtensteinischen Versicherungsverband, dem Verband Liechtensteinischer Versicherungsmakler und der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein angeboten wurde, konnten die Tagungsgäste daher Antworten auf aktuelle Fragen im Versicherungsvertrieb für ihren beruflichen Alltag mitnehmen.