Zur Sache

1 + 1 ≠ 2

Wenn der Neurobiologe und Hirnforscher Gerald Hüther von seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen spricht, geraten sicher geglaubte Annahmen ins Wanken.

In seinem neuesten Buch „Etwas mehr Hirn, bitte“ lädt Prof. Hüther  zur Wiederentdeckung der Freude am eigenen Denken und der Lust am gemeinsamen Gestalten ein. Für ihn ist klar: Jedes lebende System kann das in ihm angelegte Potenzial am besten in einem koevolutiven Prozess zur Entfaltung bringen, das heisst, gemeinsam kommen wir weiter als allein.


Professor Hüther, Sie fordern auf, die Köpfe zusammen zu stecken, um das eigene Potenzial besser zu entfalten. Gilt bei „Hirn“ tatsächlich immer „mehr ist besser“ oder verderben nicht doch viele Köche mitunter den Brei?

Mehrere Hirne haben zusammen immer mehr Potenzial. Sobald sich zwei Leute zusammensetzen und ein Problem erörtern – also ihre beiden Hirne zusammenschliessen – finden sie Lösungen, auf die der jeweils einzelne nicht gekommen wäre. Und weil sie sich dabei gegenseitig befruchten, übersteigen die Überlegungen auch die reine Addition ihrer Erfahrungen und etwas Neues entsteht. In Tests hat man Probanden vor eine Aufgabe gestellt und anhand der gefundenen Lösungen bewertet. Wenn man nun den Erst- und Drittplatzierten zusammen an dieser Aufgabe hat arbeiten lassen, sind Lösungen entdeckt worden, die nur durch die Zusammenarbeit möglich wurden.  Zuviel Hirn kann es dabei nicht geben, hier ist mehr tatsächlich immer besser.

Erfolgreich Karriere zu machen, heisst, sich von anderen (positiv) abzusetzen. Wenn Ziele oder neue Ideen gemeinsam hervorgebracht oder erreicht werden, sind individuelle Karrieren dann noch möglich?

Da stellt sich zunächst einmal die Frage, wie man die eigene Karriere definiert. Die derzeit in der Wirtschaft ablaufenden Tendenzen zeigen, dass die neue Generation ganz andere Werte schätzt als die vorangegangene. Wenn Unternehmen heute sogenannte Highpotentials gewinnen wollen, können sie diese kaum mit einem hohen Einkommen, einem Firmenwagen oder Ähnlichem locken. Bei den besten Köpfen sind immaterielle Werte begehrter, sie suchen Sinn in ihrer Arbeit, wollen sich einbringen. Es geht ihnen um bessere Beziehungen innerhalb des Unternehmens, um die Arbeitsatmosphäre – das sind ganz weiche, kaum fassbare Dinge.

Die heutige Zeit gilt als die des Shareholder Values, der Gewinnmaximierung. Wie kann da eine Stimme, die „glückliche Mitarbeiter“  als wesentlich erachtet, Gehör finden?

Unsere einzigen Rohstoffe in Europa sind Know-how und Innovation. Innovative Unternehmen sind ganz klar im Vorteil gegenüber denen, die nach dem alten Kontroll- und Hierarchieprinzip arbeiten. Ein gutes Beispiel sind die Drogeriemärkte DM und Schlecker. Bei Schlecker gab es die „Kontrolle bis aufs Klo“ und heute sind sie pleite. DM dagegen hat den Filialen alle Freiheiten eingeräumt, den Mitarbeitern Selbstverantwortung übertragen und hat den Umsatz drastisch steigern können. Verantwortungsgefühl und Freundlichkeit sind keine Güter, die ein Unternehmer kaufen kann, ein Mitarbeiter kann sie dem Unternehmen nur schenken – er wird das aber nur tun, wenn er sein Potenzial einbringen kann, wenn er zufrieden und glücklich mit seiner Arbeit ist.

Prof. Gerald Hüther stellt in einem Vortrag am 1. Juni an der Universität Liechtenstein seine Gedanken zu Zusammenarbeit und Erfolg vor.

Etwas mehr Hirn, bitte
Mittwoch, 1. Juni 2016, 18.30 Uhr
Auditorium der Universität Liechtenstein

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