uni.liNeuigkeiten„Sorge-Arbeit ist kein Industrieprodukt“

„Sorge-Arbeit ist kein Industrieprodukt“

Dr. Barbara Fuchs referierte bei der Tagung „Sorge-Arbeit in der Krise. Von der Care-Krise zur Care-Gerechtigkeit – Befunde und Perspektiven“ am 19. September in der Arbeiterkammer St. Pölten. Sie präsentierte feministisch-ökonomische Ansätze zur gesellschaftlichen Organisation von Care-Arbeit.


Dr. Barbara Fuchs referierte bei der Tagung „Sorge-Arbeit in der Krise. Von der Care-Krise zur Care-Gerechtigkeit – Befunde und Perspektiven“ am 19. September in der Arbeiterkammer St. Pölten.
Sie präsentierte feministisch-ökonomische Ansätze zur gesellschaftlichen Organisation von Care-Arbeit.

Ob Pflege, Betreuung, soziale Arbeit oder (elementare) Bildung: Sorge- oder „Care-“Arbeit wird nach wie vor überwiegend von Frauen erbracht - zu einem großen Teil unbezahlt im privaten Sektor, zu zwei Dritteln in Care-Berufen, niedrig bezahlt und vielfach unter prekären Umständen. Infolge von Finanz- und Wirtschaftskrise sind nicht etwa, wie feministische Ökonominnen es fordern, Konjunkturpakete für den Care-Sektor geschnürt worden. Es setzen vielmehr Sparkonzepte infolge der Krisen gerade auch im Bereich der Sorgearbeit an und haben so eine „Care-Krise“ nach sich gezogen, die vor dem Hintergrund eines internationalen Arbeitsmarktes noch zusätzlich verschärft wird. 

Von der Industrie- zur Care-Logik: Sorgearbeit ist keine Ware
Care-Arbeit manifestiert sich als Vielfalt von persönlichen Dienstleistungen und fürsorglicher Praxis zum eigenen und zum Wohlergehen von abhängigen Personen. Persönliche Dienstleistungen unterscheiden sich fundamental hinsichtlich Komplexität, Ganzheitlichkeit und Ungewissheit von industrieller Produktion und produktionsbezogenen Dienstleistungen. Deshalb verlangen sie nach einem gesellschaftlichen Versorgungsmodell jenseits technisch-ökonomischer Wachstumskonzepte und betriebswirtschaftlicher Effizienzkriterien. Aufbauend auf einer Diskussion von Care-Arbeit aus feministisch ökonomischer Theorieperspektive rückt Frau Dr. Fuchs deshalb kritische Aspekte und politische Handlungsansätze zur Diskussion eines care-ökonomischen Modells in den Mittelpunkt, das es den Care-Arbeiter/innen und anderen in das Care-Arrangement eingebundenen Personen ermöglicht eine fürsorgliche Betreuung und Pflege sicherzustellen. Ein tieferes Verständnis von Care aus ökonomischer Perspektive kann darüber hinaus einen wichtigen Beitrag für eine neue politischen Ökonomie und die ökonomische Theoretisierung der oft zitierten Dienstleistungsgesellschaft leisten.


Dr. Barbara Fuchs, Dozentin am Institut für Entrepreneurship der Universität Liechtenstein mit Forschungsschwerpunkt Care-Ökonomie, diagnostizierte den Mangel an theoretischer Fundierung für eine Dienstleistungsökonomie die die Industrieökonomie ablösen müsse.

Dienstleistungen wie Pflege und andere Sorge-Tätigkeiten würden in der überkommenen ökonomischen Logik gleichsam als Ware verstanden. Im Gegensatz zur Industriearbeit herrschten aber ganz andere Bedingungen: das „Produkt“ sei immateriell, nicht messbar oder standardisierbar, erfordere persönliche Beteiligung und Zusammenarbeit zweier Menschen. Nach Ansicht von Dr. Fuchs braucht die Abkehr von einer Logik der Industrieökonomie eine „politische Entscheidung“, „Sachzwänge“ spielten dabei nur eine geringe Rolle: „Es war auch möglich, Banken zu retten“. Dr. Fuchs rief dazu auf, notwendige theoretische Arbeit zu leisten, „mutig“ zu sein, „laut“ zu werden und entsprechende Forderungen an die Politik zu richten.