Die Tagung fand vom 19. bis 21. Mai 2025 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena statt – anlässlich des 250. Geburtstags von Paul Johann Anselm von Feuerbach (1775–1833). Feuerbach, Schöpfer des Bayerischen Strafgesetzbuchs von 1813, wurde in Hainichen bei Jena geboren, studierte Philosophie und Rechtswissenschaft an der Universität Jena und war dort auch kurzzeitig als Professor tätig. Als Begründer der modernen deutschen Strafrechtslehre prägte er das Verständnis eines rechtsstaatlichen Strafrechts grundlegend. Seine berühmte Formel «Nullum crimen, nulla poena sine lege» wurde zu einem weltweit zitierten Postulat und markierte – wie Gustav Radbruch es ausdrückte – eine «Zeitenwende» im Strafrecht.
Ein Vierteljahrhundert nach der letzten Jenaer Feuerbach-Tagung widmete sich die Rechtswissenschaftliche Fakultät nun erneut seinem Werk und dessen Wirkung in einer breit angelegten, interdisziplinären Analyse. Veranstaltet wurde die Tagung von Prof. Dr. Anette Grünewald, Prof. Dr. Florian Knauer, Prof. Dr. Adrian Schmidt-Recla und Prof. Dr. Dr. h.c. Edward Schramm.
Feuerbach und das Strafgesetzbuch Griechenlands
Im Rahmen der Tagung hielt Prof. Dr. Konstantina Papathanasiou einen Vortrag zum Thema «Feuerbach und das Strafgesetzbuch Griechenlands» – ein Forschungsfeld, das sie seit drei Jahren intensiv bearbeitet. Sie hat hierzu Tagungen mitorganisiert, entsprechende Tagungsbände werden publiziert.
Das erste griechische Strafgesetzbuch wurde 1833 von dem bayerischen Juristen Georg Ludwig von Maurer verfasst, der als Mitglied des Regentschaftsrats unter König Otto, dem jüngsten Sohn Ludwigs I. von Bayern, tätig war. Zwar spielten der französische «Code pénal» von 1810 sowie das Feuerbach’sche Strafgesetzbuch von 1813 mitsamt der Entwürfe von 1822, 1827 und 1831 samt Reskripten und Anmerkungen eine zentrale Rolle bei Maurers Entwurf – dennoch entschied sich dieser bewusst gegen eine blosse Übernahme, um stattdessen ein eigenständiges Werk für Griechenland zu schaffen.
Prof. Papathanasiou schloss ihren Vortrag mit den Worten: «Das Strafgesetzbuch Maurers war bis 1950 in Kraft – es hat somit alle anderen Strafgesetzbücher seiner Zeit bei Weitem überdauert. Damit erweist sich das griechische StGB von 1834 – mit den Worten Maurers – als die vollständigste, mildeste und am längsten geltende unter den historischen Strafgesetzgebungen. Abschliessend ist festzuhalten: Die Ära des liberalen Strafrechts beginnt nicht mit dem bayerischen StGB von 1813, sondern mit dem griechischen StGB von 1834.»
Auch in Bezug auf das Fürstentum Liechtenstein betont Prof. Papathanasiou die Bedeutung historischer Grundlagenforschung. Zwar basiert das liechtensteinische Strafgesetzbuch in weiten Teilen auf dem österreichischen Vorbild, doch bestehen auch hier eigenständige Entwicklungen und Abweichungen. Vor diesem Hintergrund möchte sie die nationale strafrechtliche Identität Liechtensteins stärker im wissenschaftlichen Diskurs sichtbar machen. Geplant ist daher ein eigener Kommentar zum liechtensteinischen Strafgesetzbuch anlässlich dessen 40-jährigen Bestehens im Juni 2027.