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Erasmus+ Workshop an der Universität Liechtenstein

Diesem Grundsatz folgte eine internationale Gruppe von Architekturstudierenden und -dozierenden während eines fünftägigen Erasmus+ Workshops an der Universität Liechtenstein. Der Workshop ist Teil einer über drei Jahre andauernden Kooperation der Bergen School of Architecture (NO), der Hasselt University (BE) und der Royal Danish Academy (DK) unter der Leitung von Cornelia Faisst und Daniel Haselsberger vom Institut für Architektur und Raumentwicklung der Universität Liechtenstein. Im Rahmen dieser "Social and environmental impact academy for architects (SEIAA)" suchen angehende Architektinnen und Architekten nach Möglichkeiten die negativen Auswirkungen des Bausektors zu reduzieren und zu einer lebenswerten Umwelt beizutragen.

Vom 2. bis zum 6. Mai widmeten sich 24 Architekturstudierende und -dozierende der Frage, was wir für ein gutes Leben benötigen und wie eine gebaute Umwelt aussieht, deren primäres Ziel nicht wirtschaftliches Wachstum, sondern ein gutes Leben ist. Die Antworten dazu wurden ausnahmsweise nicht in technologischen Innovationen, sondern in einem kulturellen Wertewandel gesucht. Dementsprechend stand die Suffizienz als Nachhaltigkeitsstrategie im Vordergrund. Es ging also nicht um die Produktion von "mehr" mit "weniger" im Sinne der Effizienzsteigerung, auch nicht vorrangig um ein Schliessen von Ressourcenkreisläufen, sondern um das Erlangen der Einsicht, dass "weniger" oft "mehr" bedeuten kann.

Eine Exkursion zum Vorarlberger Lehmbau-Experten Martin Rauch in Schlins (AT) liess die Teilnehmenden erkennen, dass sich für die Erzielung nachhaltigen Fortschritts eine Rückbesinnung auf alte Bauweisen lohnen kann. Erde als Baumaterial erfordert kurze Transportdistanzen, benötigt keine hohen Temperaturen und Emissionen zur Gewinnung und Verarbeitung, schafft ein gesundheitsförderndes Innenraumklima und kann am Ende des Lebenszyklus einfach wieder renaturiert werden. Eine Führung im Recycling-Center in Sennwald (CH) machte ebenfalls deutlich, dass nebst nachhaltigeren Produktionsmethoden vor allem ein reduzierter Konsum und veränderte Verhaltensweisen nötig sind, um Treibhausgasemissionen, Energieaufwände und Ressourcenverbräuche zu reduzieren. Andernfalls führt technologischer Fortschritt nur zu erhöhtem Konsum, nicht aber zu einer nachhaltigeren Gesellschaft.

Das Bewusstsein über die negativen Umweltauswirkungen von Fleischkonsum, Flugverkehr oder motorisiertem Individualverkehr hat sich im Zuge der Klimakrise in der Gesellschaft verankert. Eine Sensibilisierung für die Folgen eines hohen Wohnflächenverbrauchs ist jedoch noch rar. Aus diesem Grund organisierten die Workshop-Teilnehmenden eine Suffizienz-Lektion für Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Vaduz sowie für eine Klasse der Formatio Schule in Triesen. Darin übersetzten die Architekturstudierenden ihr gesammeltes Wissen in Übungen, die die Jugendlichen auf spielerische Art und Weise auf das Thema Wohnflächenkonsum aufmerksam machten. Während eines halben Tages wurden inspirierende Konzepte für Kleinstwohnungen und Wohngemeinschaften erarbeitet. Dabei stellten die Jugendlichen fest, dass ein reduzierter Wohnflächenkonsum keineswegs einen Verlust an Lebensqualität bedeuten muss, sondern ein Potenzial birgt für einen Gewinn an sozialen Interaktionen und freier Zeit.

Am Ende des Workshops besuchten die Teilnehmenden das Walser-Museum in Triesenberg. Dies schuf einen Bezug zum Thema der Genügsamkeit aus der Sicht vorangehender Generationen. Während jene und immer noch weite Teile der Welt einen Mangel an Gütern und Leistungen erlitten und erleiden, leiden heute viele Menschen in westlichen Ländern an einem Wohlstandsüberfluss. In ihrem Streben nach einer Überwindung sowohl des Mangels wie auch des Überflusses ist die Suffizienz nicht bloss eine Nachhaltigkeitsstrategie, sondern ein Schlüssel zu einem guten Leben sowie eine ethische Verpflichtung, durch die jede und jeder einzelne zu einer nachhaltigen und gerechten Welt beitragen soll. Für die Workshop-Teilnehmenden bedeutet dies, dass sie sich in ihrer künftigen Tätigkeit als ArchitektInnen und Architekten dafür einsetzen werden, die gebaute Umwelt so (um) zu gestalten, dass darin ein suffizientes Leben ermöglicht und gefördert wird.

Der Workshop an der Universität Liechtenstein bildete den Auftakt einer vierteiligen Serie, die jeweils an einer der Partneruniversitäten durchgeführt wird. Der nächste Workshop findet anfangs Juli in Hasselt (BE) statt, gefolgt von einem Workshop in Bergen (NO) im August. Den Abschluss der Serie bildet ein Workshop in Kopenhagen im Juni 2023. Dort werden die Resultate des gesamten Projektes im Rahmen einer internationalen Architektur-Konferenz präsentiert.