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Architektur: Zukunft Maisäss

«Der Anspruch an Hülle und Fülle weicht einer bewussten Suche nach Distanz zum Überfluss.» Hugo Dworzak

Frühling steht vor der Tür - aus diesem Grund wird dieselbe geöffnet. Drinnen wird von draussen abgelöst. Die Tage verlängern sich täglich um drei Minuten. Seit Jahrhunderten verlagern die Viehbauern ihren Lebensmittelpunkt für die Dauer von zirka 100 Tagen in höhergelegene Regionen. Zuerst, um den 20. Mai herum auf das gleichnamige Maisäss, zwischen 1000 und 1600 Metern gelegen, und am Kilianstag, den 8. Juli, weiter hinauf auf die (Hoch)Alpe. Sie ziehen mit ihrem Hausrat in eine Welt der Genügsamkeit, im Wesentlichen bestimmt durch Sonnenauf- und -untergang. Dabei entsteht eine an Nachhaltigkeit orientierte Kulturlandschaft und Produkte, die die Bezeichnung biologisch zu Recht tragen. 

Die moderne Viehwirtschaft hat diesen Ablauf ad absurdum geführt - durch moderne Transportmethoden und den Zukauf von Silofutter ist vor allem die Zwischenstation in Form des Maisässes nicht mehr nötig. Inzwischen beginnt die bauliche Substanz zu zerfallen und der Naturraum erobert den Kulturraum zurück. Seit Hunderten Jahren erobert anfänglich der Adel, dann der Städter denselben alpinen Raum zum Zwecke der Erholung. Mit dem Ziel, die Stadt, die damit verbundene Dichte und Eile und den zunehmenden Konsum hinter sich zu lassen, brachten sie genau jene Attribute in ihrem Gepäck mit. Das Verhalten des Tourismus ist wahrlich nicht von Verzicht geprägt. Seither koexistieren ländliche Bräuche und städtische Gewohnheiten auf buchstäblich schiefer Ebene. Die oft klischeehafte, städtische Suche nach alpinem Charme wird beantwortet von geschäftiger Betriebsamkeit und devotem Erfüllungsgehilfe im alpinen Tourismus. Das Resultat ist ein unbefriedigendes Nebeneinander, angestrebte Synergien bleiben Randerscheinung. 

In letzter Zeit jedoch ist eine neue Sensibilität entstanden. Die ländliche Seite hat den fortschreitenden Verlust von Kulturgut erkannt, und der städtische Anspruch an Hülle und Fülle als selbstverständliches Erholungsangebot weicht zunehmend einer bewussten Suche nach Distanz zum Überfluss. Zudem gewinnen authentische, ortsgebundene Produkte wie Heumilch und daraus hergestellte Alpbutter, Bergkäse usw. an Bedeutung am Lebensmittelmarkt. 

Deren Herstellung ist direkt an die Existenz der Alpwirtschaft gebunden. Milch von einer bestimmten Qualität und Fetthaltigkeit entsteht eben nur über milchsafthaltige Pflanzen wie Gold-Pippau, Berglöwenzahn, Schneckenklee und Hornklee. Ausserdem sorgen das Klima im Bereich zwischen 1000 und 1600 Metern für gesundheitliches Wohlbefinden. Auch die Abwesenheit von Internetempfang kann durchaus zur Beruhigung des Nervensystems führen und dafür Augen und Ohren öffnen für das, was direkt vor uns ist. Nicht zuletzt, dass es so etwas gibt wie «ausreichend » und dass in dem Begriff Genügsamkeit Reichtum steckt. 

Aus diesen Inhalten könnte eine «gemeinsame Bewirtschaftung» der Maisässe entstehen, unter sinnvoller Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Eine lebendige Vermittlung von Kulturgut, Nährboden für das Verständnis von Zusammenhängen und Wirkungsweisen in der Natur - ein Austausch von Erfahrung und Wissen über die Authentizität des Ortes. Und dies könnte gleichzeitig eine sinnvolle Auffrischung der Maisässlandschaften bewirken.

Zwölf Studierende erforschten ein Semester lang die Beziehung zwischen Landschaft, Landwirtschaft und Tourismus und überlegten, was sie an Vorhandenem für ihre neuen Konzepte adaptieren, wie sie Neubauten integrieren und wie sich diese in die Landschaft eingliedern können. Herausgekommen sind zwölf sehr unterschiedliche Projekte, die der interessierten Öffentlichkeit vom 18. Februar bis 27. März in der Ausstellung im ORF Landesfunkhaus Dornbirn präsentiert wurde. Die Ausstellung war eine Kooperation mit dem Projekt «Raumentwicklung Montafon» des Standes Montafon, dem Casino Bregenz und dem Landesfunkhaus Dornbirn im Rahmen des «Kunst im Funkhaus»-Projektes.

Text Hugo Dworzak

 

ORF Vorarlberg Newsbeitrag