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Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (ESG)

Der Lehrstuhl für Bank- und Finanzmarktrecht der Universität Liechtenstein lud am 20. April 2021 zur Tagung über den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (ESG), welche in freundlicher Zusammenarbeit mit der LGT Private Banking virtuell durchgeführt wurde.

Nach den einleitenden Wort von Dr.in Judith Sild, Assistenzprofessorin am Lehrstuhl für Bank- und Finanzmarktrecht, Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Liechtenstein, widmete sich der erste Teil der Tagung der «Nachhaltigkeit im Finanzsektor und regulatorischem Überblick», referiert von lic.rer. publ. HSG Ursula Finsterwald, Head Group Sustainability Management, LGT Gruppe Holding AG, Vaduz.
Die Referentin bezog in Ihrem Vortrag im Wesentlichen Stellung zu drei wichtigen Themenbereichen. In erster Linie erläuterte sie die konkreten Gründe, die ein nachhaltiges Handeln auch im Finanzsektor erfordern. Darauffolgend wurde ein Überblick über die massgebenden Regulierungen in Bezug auf Nachhaltigkeit im Finanzsektor geboten. Abschliessend bot die Referentin einen ausführlichen Einblick in die Nachhaltigkeitsstrategien der LGT Gruppe Holding AG, deren Nachhaltigkeitskonzept sich dabei in drei grosse Säulen aufteilt: Das nachhaltige Investieren, das nachhaltige Unternehmen und das nachhaltige Denken.

Im Anschluss fuhr Stephan Hirschi, Director, Sustainability Leader, und Dr. Antonios Koumbarakis, Head Strategic Regulatory & Sustainability Services, Legal, beide PwC Switzerland, Zürich, mit dem «Klassifikationssysteme für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten» fort.
Stephan Hirschi führte hierzu aus, dass die EU-Taxanomie ein robustes und wissenschaftlich fundiertes Instrument sei, welches dabei unterstütze, den Übergang zu einer widerstandfähigen und ressourcenschonenden Wirtschaft zu steuern. Die Taxanomie lege Schwellenwerte für wissenschaftliche Aktivitäten fest, welche einen wesentlichen Beitrag zu einem der sechs Umweltzielen leisten, keine signifikanten Schäden für die anderen fünf verursachen und die Mindestanforderungen erfüllen.
Dr. Antonios Koumbarakis unterschied für nachhaltige Investmentmöglichkeiten bereits existierende von neuen ESG-Fonds. Existierende ESG-Fonds sollten beispielsweise nach der Offenlegungsverordnung klassifiziert und deren Anlagestrategien überdacht und zudem soziale Mindestschutzmassnahmen eingeführt werden. Überdies sollten Strategien zur Feststellung und Gewichtung der wichtigsten nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen eingearbeitet werden.

Danach widmete sich Mag. Roland Dämon, FMA-Experte für MiFID, PRIIPS und verwaltungsbehördliche Aufsichtsverfahren, Finanzmarktaufsicht (FMA) Österreich, Wien, in seiner Präsentation den «Nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten im Finanzsektor». Mag. Roland Dämon berichtete, dass das Thema «Sustainability» auch in der Finanzmarktaufsicht immer mehr an Bedeutung gewinne. Dies deshalb, weil in letzter Zeit vermehrt Normen geschaffen wurden, die sich konkret mit den Themen Nachhaltigkeit beschäftigen. Die MiFID II sei dabei das einschlägige Rahmenwerk, wenn es um die Festlegung der Rahmenbedingungen für Anlageberatung geht. Diese Rahmenbedingungen müssten nun um Nachhaltigkeitskriterien ergänzt werden. Dabei festzuhalten ist, dass diese Änderungen der Verordnung für alle Unternehmen, die eine Zulassung nach MiFID II besitzen, gelten und dadurch in diesen Unternehmen entsprechende Adaptierungen vorgenommen werden müssen.

Nach der Pause widmete man sich dem «Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement», referiert durch Marco Merle, Spezialist Aufsicht, Bereich Banken, Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA), Vaduz. Die EBA veröffentlichte im Jahre 2020 ein «EBA Discussion Paper» zum Management und der Überwachung von ESG-Risiken für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen. Dieses Paper beinhaltet unter anderem Definitionen der ESG-Faktoren und der ESG-Risiken.
So werden ESG-Risiken als Risiken beschrieben, welche einen negativen, finanziellen Einfluss auf Institutionen besitzen, die aus den momentanen oder voraussichtlichen Einflüssen von ESG-Faktoren auf seine Gegenparteien entstehen. ESG-Faktoren hingegen seien ökologische, soziale oder führende Charakteristiken, welche einen positiven oder negativen Einfluss auf die finanzielle Leistung oder Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens, eines Staates oder eines Einzelnen haben könnten.

Im Anschluss beschäftigte sich MMag. Dr. Matthias Wagner, MA, Head Group Regulatory and Investment Compliance, LGT Gruppe Holding AG, Vaduz, mit den «Nachhaltigkeitsrisiken in Strategie und Governance». Wolle man eine Nachhaltigkeitsstrategie in ein Unternehmen implementieren, müsse man die Nachhaltigkeitsrisiken ganzheitlich in seiner Geschäftsstrategie zu berücksichtigen, ebenso die Auswirkungen von klimabezogenen Risiken und Chancen auf das Geschäftsmodell sowie die Strategie und Finanzplanung analysieren. Bei der Einsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien könne man unterscheiden zwischen gänzlich neu implementierten Strategien und bereits bestehenden Strategien, die entsprechend der neuen Zielsetzung adaptiert werden.

Als gelungenen Abschluss widmete sich wiederum Dr. Antonios Koumbarakis den «Good Practices im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und einem Ausblick». Um Nachhaltigkeitsrisiken identifizieren und ausreichend messen zu können, müsse zuerst das Zusammenspiel zwischen ESG-Risiken und ESG-Faktoren erkannt analysiert werden. ESG-Faktoren können sich nämlich auf die finanzielle Leistung von Instituten auswirken, indem sie sich in finanziellen oder nicht-finanziellen aufsichtsrechtlichen Risiken wie Kredit-, Markt-, Betriebs-, Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken manifestieren. Überdies treten ESG-Risiken auf, wenn die ESG-Faktoren, die die Gegenparteien von Instituten betreffen, einen negativen Einfluss auf die finanzielle Leistung oder Solvenz dieser Institute haben.

Die Tagungsgäste konnten nach jedem Vortrag Fragen an die Referenten und Referentinnen stellen, woraus sich spannende Diskussionen zu aktuellen Fragestellungen im Nachhaltigkeitsrecht ergaben.