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Studie warnt vor Sandkrise

East Lansing - Sand ist der wichtigste Rohstoff für das Bauwesen. Die Vorräte sind riesig, aber endlich. Schon heute leiden viele Küsten und Flussläufe an einem Raubbau der Sandförderer. Doch ein leichter Ersatz ist nicht zur Hand.

Ob für Beton, Glas oder Computerchips – Sand ist ein Stützpfeiler der Weltwirtschaft. Aber die Sandgewinnung steuert laut einer Studie von Experten der Universität Michigan auf eine Krise zu.

Sandreserven können zu Ende gehen

„Der Städtebau, besonders in Asien, boomt. Der braucht eine Menge Sand für das Bauen. Es gibt viele Bereiche, in denen Sand verwendet wird, von denen wir nichts wissen, wie die Energieproduktion, das Fracking. Beide brauchen Sand“, sagt Jianguo „Jack“ Liu, Mitautor der Studie und Direktor des Zentrums für Systemintegration und Nachhaltigkeit an der Michigan State University. „Es wird mehr und mehr und könnte am Ende überall erschöpft sein. Dann haben wir eine weitere Ressource, für die große Nachfrage besteht, aber die Verfügbarkeit begrenzt ist.“

Sandindustrie wächst rasant

Die Studie ist mit „Eine schlummernde Tragödie“ (A looming tragedy of the sand commons) überschrieben. Darin wird festgestellt, dass die Sandgewinnung für das Bauwesen allein 2010 mindestens 11 Milliarden Tonnen Sand gefördert hat. In den USA ist die Sandindustrie mit einem Volumen von 9 Milliarden Dollar (8,6 Milliarden Franken) in den vergangenen fünf Jahren um 24 Prozent gewachsen. Das internationale Sandgeschäft hat sich im vergangenen Vierteljahrhundert versechsfacht.

Wirkung auf die Umwelt

Diese wachsende Sandindustrie steht vor einer Menge Problemen. Die Sandgewinnung verändert Küstenlinien und Wasserwege – dort also, wo die Situation ohnehin schon jetzt wegen des Klimawandels schwieriger geworden ist. Der Sandabbau tötet Flora und Fauna, treibt zu unverantwortlichem Bauen und bringt kriminellen Organisationen Geld. Banden betreiben das Geschäft in Indien und Italien. Sand hat sogar zu diplomatischen Spannungen geführt. Singapur bekam deshalb Streit mit Kambodscha, Indonesien und Malaysia, als es darum ging, die Sandlieferungen für den nimmersatten Stadtbau in Singapur zu erhalten.

„Sand hat Auswirkungen auf die Umwelt, auf die Biodiversität, auf soziale Fragen, soziale Unruhe“, sagte Liu. Er und seine Mitarbeiter hätten eine Methode angewandt, bei der weit entfernte Orte, unterschiedliche Zeiten, verschiedene Bereiche und Wirtschaftssektoren in der Forschung verglichen werden, das sogenannte telecoupling. Liu: „Sie hängen alle zusammen.“

Weltweite Regulierung nötig

Die in der Zeitschrift „Conversation“ veröffentlichte Studie von Liu und seinen Kollegen zeigt, dass Forschung und Politik die Sandgewinnung genauer betrachten müssen. Die Nutzung dieses Rohstoffes müsse staatlich reguliert werden. „Solange nationale Vorgaben kaum durchgesetzt werden, werden die schädlichen Wirkung weiter auftreten“, schreiben sie. „Wir glauben, dass die internationale Gemeinschaft eine globale Strategie für die Regulierung entwickeln muss. Dazu gehören auch globale und regionale Sandkontingente.“ Es sei an der Zeit, Sand als eine Ressource zu betrachten, genauso wie saubere Luft, Biodiversität und andere natürliche Gegebenheiten. Sie müssten so genutzt werden, dass die Welt für die Zukunft gerüstet sei.

Ersatz schwer zu finden

Liu sieht keinen geeigneten Ersatz für Sand. „Ein Ersatz könnte sein, Steine zu Sand zu zermahlen“, sagte er. „Aber das hat zur Folge, dass man Energie braucht. Wenn man Energie verwendet, dann wird Kohlendioxid ausgestossen. Man löst ein Problem und schafft dabei ein anderes.“

Nach Auffassung von Liu könnten die Wiederverwertung von Sand, neue Baumethoden mit weniger Sandverbrauch sowie eine bessere Baupolitik helfen, die Sandverschwendung zu vermeiden. Nur so könne eine Sandkrise abgewendet werden. „Wir sagen nicht: Benutzt keinen Sand“, sagte Liu. „Sondern: Reduziert die Verwendung von Sand, ohne das menschliche Wohlergehen zu beeinträchtigen.“