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Wir sind Skater!

Diogo Da Silva, Alumnus der Universität Liechtenstein, engagiert sich mit der Skater-Community der Stadt Chur schon lange für geeignete Trainingsmöglichkeiten. Im Gespräch schildert er mit weiteren Kollegen und Mitgliedern des Rollbrett Club Chur ihren Traum von einem Skatepark und was sie sich von der Stadtverwaltung erhoffen.

 

Interview: Heike Esser
Foto: Adrian Schröder

 

Ihr seid alle Mitglieder im Rollbrett  Club Chur. Skater gelten gemeinhin als  Nonkonformisten, wie und wann habt ihr beschlossen, etwas so Klassisches wie einen Verein zu gründen?

Mario: Unsere Vereinsgründung geht auf einen Vorschlag der Jugi, der Jugendarbeit der Stadt Chur, zurück. 2008 wurde eine Gruppe von Skatern von der Jugi angesprochen, für sich selber kleine Rampen zu bauen. Das war der erste Kontakt mit der Jugi. Damals wurde dieser Gruppe von der Jugi vorgeschlagen, einen Verein zu gründen, um mehr bewirken zu können. Nach dieser Vereinsgründung ist dann auch die Suche nach einem Vereinslokal lanciert worden. Damit gab es die Grundlage für eine kleine Trainingsanlage im Freien und kurz danach für unser «Rathole», einen selbstgebauten Indoorpool zum Skaten, die dann beide von den Vereinsmitgliedern gebaut wurden. Heute ist nur noch unser Vereinspräsident, Gian, aus dieser ersten Generation im Verein. Wir anderen sind erst seit ca. 6 Jahren dabei.

Diogo: Es ist ein recht dynamischer Verein und kein Generationsverein. Diejenigen, die aktiv skaten sind mehrheitlich dabei und sonst ändert sich das laufend. Aktive sind die Jungen, die noch «Saft» haben.

 

Warum wünscht ihr euch jetzt einen Skatepark?

Diogo: Früher gab es eine Trainingsanlage in der Oberen Au. Die wurde aber eher schlecht gewartet und die Elemente waren aus Metall.

Nicola: Wenn sich da niemand drum kümmert, dann verrosten solche Metallrampen halt. Man hätte sie jeden Winter einstellen und renovieren müssen, dessen war sich aber die Stadt nicht bewusst.

Mario: Die Gestalter der Oberen Au wollten damals auch Nischensport anbieten, aber die Anlage war mehrheitlich nicht für Skateboards gedacht, sondern für Inline-Skater. Dementsprechend war alles viel zu überdimensioniert gebaut worden und die Rampen waren viel zu anspruchsvoll für Anfänger. Man hatte einfach eine Anlage aus einem Katalog ausgewählt und auf dem Platz hingestellt, ohne mit der Skater-Community zu besprechen, was sie eigentlich bräuchte. Das lief sehr unabhängig.

Nicola: Nachdem alles verrottet war, stand auch das Gelände nicht mehr zur Verfügung, sondern wurde im Winter als Eisfeld genutzt.

Diogo: Damit wurde wieder die Strasse ein Thema für die Skater. Vor dem Theater war früher ein schöne Fläche zum Skaten, aber die wurde bald einmal nach einer Idee des Stadtpräsidenten umgestaltet und fiel dadurch auch wieder weg. Heute ist der kleine Platz vor dem Stadthaus der Ort, an dem sich alle Skater treffen. Deshalb brauchen wir dringend einen Skatepark.

 

«Es ist uns wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem Leute zusammenkommen.» Diogo Da Silva, Alumnus der Universität Liechtenstein 

Ihr habt also seit 9 Jahren den  dringenden Wunsch nach einem  Skatepark. Woher nehmt ihr die  Motivation für eine so lange Zeit?

Mario: Wir bewahren uns unsere Motivation durchs Skaten. Und wenn man das jeden Tag macht, dann kommst du einfach an den Punkt, wo du unbedingt einen Skateparkt willst.

Ricardo: Skaten ist Motivation genug. Das ist so ein grosser Teil von unserem Leben, das hört nicht einfach auf.

Nicola: Skaten kannst du anschauen wie jedes andere Hobby auch, wie Fussball oder Unihockeyspielen — du gehst raus und machst das einfach so gerne. Dann willst du irgendwann auch deine eigene Anlage. Wir sind jetzt halt am Kämpfen und werden auch nicht aufhören, bis der Skatepark steht. Das ist genug Motivation.

Diogo: Politiker erklären immer wieder, es hätte zu wenige von uns, um einen Skatepark auf die Beine zu stellen. Das finden wir überhaupt nicht, denn man sieht es immer wieder, dass es überall junge Leute gibt, die Freude am Skaten haben. Aber wenn es keine Trainingsanlage gibt, dann kann man nirgendwo sicher trainieren. Denn es ist logisch, dass Eltern ihr Kind nicht auf der Strasse skaten sehen wollen, weil es einfach gefährlich ist. Es motiviert uns jetzt, wo wir so langsam älter werden, zu sehen, dass Junge nachkommen, die auch diesen Sport betreiben wollen.

 

Mittlerweile trifft man überall  auf der Welt auf ältere Surfer, gilt das auch für Skater oder hören Skater   einfach irgendwann auf?

Diogo: In der Skaterszene werden die Leute immer älter, es gibt viel mehr ältere Skater mit bis zu 50 oder 60 Jahren. Denk nur an die Dogtown Boys – die haben zuerst gesurft, waren dann richtige Grössen im Skatesport und sind immer noch am Skaten.

Mario: Aber hier in Chur kenne ich keinen, der mit 60 noch skatet. Allgemein in der Schweiz gibt es das noch wenig, aber rund um die Welt gibt es das durchaus. Skaten ist eine Sportart, die du betreiben kannst, bis du alt bist.

Nicola: Ein Problem bei uns in der Schweiz ist, dass Skaten nicht als echte Sportart angesehen wird. Wenn hier die Leute einen 50- oder 60-Jährigen auf dem Skateboard sehen, dann belächeln sie ihn, denn da denkt keiner an Sport. Und das ist auch der Grund, warum wir hier so Probleme haben, eine Skateanlage zu bekommen, es fehlt an der Akzeptanz in der Bevölkerung.

 

Würde ein Skatepark helfen, um auch ältere Skater anzuziehen?

Diogo: In Europa kennt man sich in der Skaterszene und man merkt, dass Skaten zum Beispiel in Skandinavien ganz anders angeschaut wird. Es ist ein gesellschaftlicher Unterschied. Dort sind etwa an einem Mittwochnachmittag ganze Familien in einem Skatepark am Picknicken und lassen ihre Kinder auf der Anlage trainieren. Skaten ist ein Lebensstil. Der durchdringt einen völlig und den möchte man auch mit anderen teilen, gerade mit seinen besten Freunden. Es ist ein rechtes Phänomen, dass Skaten im deutschsprachigen Raum immer noch als Randsportart angesehen wird. Man sollte nicht vergessen: Skaten wird 2020 olympisch! Also sollte man diese Vorurteile definitiv ablegen.

 

Wie geht es weiter mit eurem Skatepark? Was habt ihr bisher dafür getan?

Diogo: Wir haben 2015 an die Stadt Chur ein Konzept eingereicht, das ich während meines Studiums der Architektur an der Universität Liechtenstein entwickelt habe, nachdem wir fast drei Jahre lang öffentliche Arbeit geleistet hatten wie Events organisieren, um so bei der Bevölkerung Verständnis für unser Anliegen zu wecken. Die Präsentation unseres Konzepts 2015 war recht positiv angenommen worden, doch dann hat es ziemlich lange gedauert, bis ein Entscheid vom Stadtrat gefällt wurde. Ende 2016 wurde bekannt, dass die Stadt so eine Anlage haben möchte und bereits an einem Gesamtkonzept «Obere Au» arbeitet.

 

Seid ihr enttäuscht, dass die Planung nun bei der Stadt liegt?

Mario: Nein, keinesfalls! Wir als Verein finden es super, dass die Stadt den Skatepark selbst in Angriff nehmen will und bemühen uns sehr, die Kommunikation mit der Stadt aufrechtzuerhalten. Denn wir möchten einen Skatepark bekommen, der für die hiesige Skater Community funktioniert, denn ein Skatepark ist ein komplexeres Thema  als ein Fussballplatz. Für einen Fussballplatz kennt  man Vorschriften und Auflagen, da ist alles standardisiert und bei einem Skatepark ist alles sehr individuell. Und wir möchten für die Stadt Chur einen Skatepark, der wirklich passt.

Nicola: Es soll eben nicht so werden wie früher in der Oberen Au mit diesen Blechelementen, sondern wir möchten mit einbezogen werden in die Planung. Wichtig ist uns, dass der Park nachhaltig gebaut wird, damit er jahrelang intakt bleibt und nicht rasch verrottet, wie damals.

 

Und wie soll euer Skatepark aussehen?

Diogo: Unsere Idee ist ein «Betongarten». Das spielt mit zwei Ideen: Zum einen geht es um das Material der Rampen, wir wollen die unbedingt aus massivem Beton haben, das hat mit Laufeigenschaften, mit Sicherheit und auch mit Nachhaltigkeit zu tun, wie Nicola schon sagte. Aber auch «Garten», denn es ist uns wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem Leute zusammenkommen, so wie wir das in Skandinavien erlebt haben.

Ricardo: Es soll ein Ort werden, an dem sich auch Eltern mit ihren Kindern wohlfühlen.

Diogo: Für den Gartenteil des Skateparks wollen wir von der Stadt auch keine zusätzliche Fläche. Wir «opfern» quasi einen Teil der Fläche, die wir für den Skatepark bekommen sollen. Für uns ist das wichtig, dass wir nicht etwa die Fläche von zwei Fussballfeldern als Skatefläche nutzen, sondern dass wir die Hälfte als Landschaftsgarten für alle gestalten.

 

Wie begegnet ihr der Befürchtung,  dass der Ort verlottert und nur als  Partyfläche dient?

Diogo: Gegen die Angst vor Verunreinigung, die leider noch immer mit jungen Leuten allgemein und mit Skatern im Besonderen verbunden wird, braucht es Vertrauen vonseiten der Stadt. Wir können da auf Erfahrungswerte aus anderen Städten verweisen: Wenn man einen qualitativ hochstehenden Skatepark hat, passiert das nicht. Vielmehr geben sich dort die Leute Mühe, die Sachen nicht zu beschädigen. Wenn man mit der Skater Community zusammenarbeitet beim Erstellen, dann ist es der Community natürlich auch sehr wichtig, dass dieser Ort schön bleibt. Das ist sehr viel nachhaltiger, als wenn die Stadt alleine etwas macht, und die Community nicht einbezieht. Denn sonst entsteht eine Lücke: Wem gehört die Anlage? Natürlich gehört das Land der Stadt, aber es gibt ja auch die Menschen, die diesen Ort dann benutzen. Und wenn die sich diesem Ort verbunden fühlen, dann passen sie auch darauf auf.

Nicola: In diesem Zusammenhang ist der Standort Obere Au ein Vorteil, weil der Skatepark innerhalb weiterer Sportanlagen angesiedelt ist. Wenn der Skatepark mitten in einem Industriequartier läge, dann denken sich die Jungen vielleicht viel eher «hey, jetzt gehen wir dorthin Party machen und saufen», aber wenn er neben Fussballplätzen und dem Schwimmbad ist, dann zeigt das klar in Rich-tung Sport und nicht zum Abhängen. Wenn man anschliessend noch in den Ausgang will und festen, dann geht keiner erst in die Obere Au, weil das ein zu weiter Weg wäre.

 

Wann soll das Projekt starten?

Diogo: Tja, das weiss noch keiner so genau, wegen der vielen unterschiedlichen beteiligten Kräfte auf dem Gelände. Ein Teil der privaten Sportanlagen in der Oberen Au konnte inzwischen von der Stadt zurückgekauft werden, also die ersten Schritte laufen. Aber erst wenn alle im gleichen Boot sitzen und mitrudern wollen, wird es losgehen. Im Moment heisst es daher für uns, weiterhin viel Geduld zu haben!

 

*Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Juni 2017 Ausgabe des Denkraum Magazins.