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Das Geschäft mit dem Müll

Die Ausstellung «Ewaste Last und Schatz» zeigte das unsichtbare Band zwischen Liechtenstein und Afrika, welches durch Handlungen hierzulande Lebensräume, soziale Räume und Gesellschaftsstrukturen verändert. Liechtenstein und Ghana sind verbunden, auch wenn auf beiden Seiten dies unbewusst ist. Vom 7. bis 14. Oktober wurden an der 18. Biennale in Venedig diese unsichtbaren Verbindungen thematisiert und sichtbar gemacht.

«Es gibt kein ‹weg›. Wenn wir etwas wegwerfen, muss es irgendwo hingehen», brachte es die US-amerikanische Kritikerin Annie Leonard, die vor allem bekannt für ihre Internetdokumentation «The Story of Stuff» über den Lebenszyklus von Gütern und Dienstleistungen ist, auf den Punkt. Genau mit diesem «weg» – sowie auch mit dem Weg des Elektroschrotts – haben sich Mikel Martinez und Katrin Milanzi, zusammen mit Gabriela Dimitrova beschäftigt und zeigten ihre Arbeitsergebnisse rund um die ehemalige Müllhalde Agbogbloshie in der Hauptstadt Accra in Ghana im Rahmen der diesjährigen internationalen Architekturbiennale im venezianischen Palazzo Trevisan degli Ulivi.

Im Vorfeld der von Alberto Alessi kuratierten EWASTE-Veranstaltungen wurden Forschungsfragen und Datensammlungen durch verschiedene Aktivitäten an der Universität Liechtenstein angegangen. Es stellte sich als schwierig heraus, die Verbindungen zwischen  Liechtenstein und Ghana zu verfogen, die Auswirkungen sind jedoch auf beiden Seiten sichtbar. In Ghana verursacht der Elektorschrott Krankheiten und Armut, bildet jedoch duch den Gewinn von wertvollen Stoffen die Lebensgrundlage vieler Menschen. In Liechtenstein hingegen müssen diese Wertstoff neu beschafft werden.

In Podiumsdiskussionen, Round-Table-Gesprächen und öffentlichen Vorträgen konnten Impulse für mehr Zusammenarbeit zwischen Liechtenstein und Ghana, zwischen Unternehmen, Hochschulen und in der Politik, angeregt werden. Die unsichtbaren Beziehungen zwischen Liechtenstein und Ghana wurden auf zweierlei Weise dargestellt – physisch-haptisch und virtuell. Beide Ebenen wurden mithilfe von Tablets verbunden und konnten von den Gästen der Biennale interaktiv genutzt werden. Verschiedene Statistiken und Themen zu Liechtenstein und Ghana wurden als Desi-Rot abgerufen. Die Besucherinnen und Besucher bewegten sich durch den Ausstellungsraum und riefen Informationen zu aktuellen Daten und möglichen Entwicklungen ab.

Mikel Martinez: Im üblichen Kontext assoziieren wir mit Müll wertlose Objekte und nicht mehr gebrauchte Gegenstände. Jedoch ist dies eine völlig falsche Perspektive, wenn wir den Materialwert – insbesondere jenen des Elektroschrotts – betrachten und somit einen Blick für den versteckten Wert in den Gegenständen entwickeln. So gedacht, schmeissen wir beträchtliche Summen weg, nur weil wir Elektronikgeräte meist als überaltert empfinden, als aus der Mode gekommen betrachten oder wir den schnellen Neukauf der Reparatur vorziehen. Dabei wären selbst schwerer beschädigte Geräte noch als Ersatzteillager verwendbar, wonach sie schlussendlich ja immer noch einen gewissen Wert besitzen und sich als verborgene Schätze entpuppen.

Gabriela Dimitrova: Den Müll als Last zu sehen, hängt vor allem mit dessen Bearbeitung und (End-)Lagerung und dem Umgang mit diesem zusammen. Wenn der Abfall aus unserem Blickfeld verschwindet, löst er sich noch längst nicht in der Luft auf. Im Gegenteil, er zieht in weiterer Folge einen viel grösseren Rattenschwanz mit sich, als wir denken. […] So beschäftigen wir uns an der Universität Liechtenstein seit mehreren Jahren intensiv mit dem Thema Abfall, (besonders Bauabfall).

Katrin Milanzi: In Europa produziert jede Person 16,2 kg Elektroschrott im Jahr – das sind über 53 Mio. Tonnen (Gemäss Eurostat, wenn es um die gesamte E-Waste-Produktion pro Einwohner geht, stand im Jahr 2020 Liechtenstein europaweit an erster Stelle mit 18,3 kg/Kopf). Wenn der Trend so bleibt, haben wir im Jahr 2030 78 Mio. Tonnen Elektromüll weltweit. Dass dieser Abfall beinahe um den halben Erdball geschifft wird und in der «Mülldeponie Agbobloshie» in Accra (Ghana) landet, um die vom Basler Abkommen (1989) vereinbarten Restriktionen zu umgehen, ist dabei vermutlich der Mehrheit von uns nicht bewusst. […] Neben den ökologischen Problemen sind darüberhinaus soziale Themen wie Kinderarbeit nicht zu vergessen – denn schon die Kleinsten wurden auf der Müllhalde fürs Herauspicken wertvoller Metallteile aus den Müllbergen eingeteilt.