Politik

Junge Frauen sind deutlich weniger an Politik interessiert als junge Männer. Ebenso wirken sich die soziale Schicht und der Migrationshintergrund auf das politische Interesse aus. Die Jungen unterstützen fast uneingeschränkt die Demokratie. Die konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage ist die im Vergleich mit anderen Staatsformen beliebteste. Gleichwohl fühlen sich die 16- bis 25- Jährigen mehrheitlich von der Politik unverstanden.

Die Frage der Beziehung der Jungen zur Politik ist in demokratischen Gesellschaften von hoher Bedeutung, beeinflusst doch das Verhältnis der nachkommenden Generationen zur Politik wesentlich die Reproduktionsbedingungen demokratischer Verhältnisse. Demokratie setzt auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger ein bestimmtes Interesse und Grundkenntnisse an Politik voraus, damit sie überhaupt an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess partizipieren.

Die Frage, ob und inwieweit sich junge Menschen für Politik interessieren und sich politisch beteiligen, gewinnt eine besondere Dringlichkeit, weil vermehrt Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler davon ausgehen, dass in den etablierten westlichen Staaten in jüngerer Zeit substanzielle Gefährdungen demokratischer Verhältnisse zu beobachten sind.

Ebenso wenig wie es «die» Jugend oder «die» Jungen gibt, ist eine gewisse Vorsicht geboten, (un)politische Einstellungen und Verhaltensweisen als generationenspezifisch aufzufassen. Dies muss bei der Lektüre dieses Kapitels berücksichtigt werden, kann es doch den Anschein haben, als werde über «die» Jugend berichtet, die sich von den Erwachsenen hinsichtlich ihrer politischen Einstellungen und Verhaltensweisen unterscheidet. Dieser Eindruck kann, wenn im Folgenden die Ergebnisse der Online-Befragung präsentiert werden, nur dem Fehlen einer Vergleichsgruppe geschuldet sein.

Demokratische Gesellschaften sind auf die Mitwirkung ihrer Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Beteiligung setzt voraus, dass sich die Mitglieder eines Gemeinwesens über das politische Geschehen informieren und ein Interesse an politischen Zusammenhängen entwickeln. Das politische Interesse gilt als wichtiger Indikator für die individuelle Aufmerksamkeit für gesellschaftliche Belange und als ein zentraler Aspekt von politischer Involvierung.

Zudem stellen die Genese politischen Interesses und politischen Kompetenzgefühls wesentliche Faktoren der staatsbürgerlichen Entwicklung dar. Eine Vielzahl von Befunden deutet darauf hin, dass sich die grundsätzliche Sympathie oder aber Abneigung gegenüber der Beschäftigung mit Politik bereits in jungen Jahren formt.

 

Politisches Interesse

Die Mehrheit der Befragten bezeichnet sich selbst als politikinteressiert (siehe Tabelle 33). 58 Prozent tendenziell an Politik Interessierten stehen 42 Prozent gegenüber, die sich wenig bis gar nicht für Politik interessieren. Dabei ist die Gruppe derer, die angibt, sehr stark an Politik interessiert zu sein, mit 16 Prozent vergleichsweise klein. Die relative Mehrheit der Befragten, 42 Prozent, zeigt vielmehr ein verhaltenes Interesse am politischen Geschehen. Wenig interessiert ist mit 30 Prozent ein knappes Drittel, kein Interesse an Politik formulieren 12 Prozent.

«Interessieren Sie sich allgemein für Politik?»

Wird danach gefragt, ob das Interesse in den letzten Jahren zu- oder abgenommen hat, zeigt die Antwort generell eine Zunahme. Knapp ein Fünftel, nämlich 17 Prozent, gibt an, dass das Interesse «stark zugenommen» hat, «eher zugenommen» hat es bei genau der Hälfte der Befragten, bei 29 Prozent ist es «gleich geblieben». Der Anteil an Personen, deren Interesse «eher» oder «stark abgenommen» hat, ist verschwindend klein und liegt bei lediglich 3 bzw. 1 Prozent.

Stellt man die Frage nicht konkret nach der Politik, sondern allgemeiner nach dem Geschehen in anderen Ländern, wird die Gruppe der Interessierten grösser. Mehr als an Politik sind junge Menschen daran interessiert, was in anderen Ländern passiert. Mehr als die Hälfte der Befragten, 51 Prozent, ist «interessiert», mehr als ein Drittel, 34 Prozent, sogar «stark interessiert». Wenig Interesse äussern lediglich 15 Prozent, «gar nicht interessiert» ist keine Person im Sample.

Wie schätzen die Befragten ihre Kenntnisse über Politik ein? Lediglich 4 Prozent stimmen der Aussage «voll und ganz» zu, viel von Politik zu verstehen. «Eher» dieser Meinung ist jede oder jeder Fünfte. Hingegen schätzen etwa 40 Prozent ihre politischen Kenntnisse als unzureichend ein.

Ein Drittel der Befragten ist unentschlossen und antwortet mit «teils». Das Gefühl, ein Politikverständnis zu besitzen, ist signifikant geschlechtsabhängig: 17 Prozent der jungen Frauen sind überhaupt nicht der Meinung, dass sie etwas von Politik verstehen, 36 Prozent sind eher nicht dieser Meinung. Bei den männlichen Befragten sind die Anteile 7 und 16 Prozent.

Faktoren des politischen Interesses: Die «Kunst», sich eine politische Meinung zu bilden
Die Mitglieder eines politischen Gemeinwesens verfügen nicht in gleichem Masse über die Fähigkeit zur Hervorbringung eines auf Gesellschaft bezogenen Diskurses. Ein «politischer Sinn», ein Interesse an dem, was als politisch verhandelt wird, ist abhängig von einer Vielzahl an Faktoren, unter anderem Geschlecht, Alter, Ausbildungsniveau, Beruf, Wohnsitz, auch von politischer Einstellung.

Wovon hängt in der vorliegenden Studie ab, ob sich junge Menschen für Politik interessieren? Welche Faktoren haben einen Einfluss auf das Antwortverhalten? Im Sample werden Unterschiede zwischen den Befragten hinsichtlich des politischen Interesses deutlich. Tabelle 33 veranschaulicht diese signifikanten Differenzen im Antwortverhalten nach Geschlecht, sozialer Schicht und Migrationshintergrund.

Zunächst zeigt sich ein Unterschied beim Faktor Geschlecht: junge Männer sind deutlich neugieriger was Politik anbelangt, als junge Frauen. 29 Prozent der Männer sind «stark interessiert», bei den Frauen beträgt dieser Anteil lediglich 6 Prozent. – Der «Gender-Gap» beim politischen Interesse scheint bis dato ein konstantes Ergebnis zu sein, wenn verschiedene sozialwissenschaftliche Studien beigezogen werden. Durchgängig in allen Altersgruppen zeigen sich Frauen weniger interessiert als Männer. Auch bei «Höhergebildeten» nimmt dieser Unterschied nicht ab. – Im vorliegenden Sample wird zudem ersichtlich, dass das Interesse bei männlichen Befragten in den letzten Jahren eher zugenommen hat als bei ihren Altersgenossinnen: in der ersten Gruppe hat das Interesse bei 71 Prozent «eher» und «stark zugenommen», bei der zweiten Gruppe ist dies bei 61 Prozent der Fall. Schliesslich sind junge Männer nicht nur stärker als junge Frauen an Politik interessiert, sie zeigen ebenso in höherem Masse ein Interesse daran, was in anderen Ländern vor sich geht. 44 Prozent der männlichen Befragten sind «sehr interessiert», bei den weiblichen Befragten sind es bei dieser Frage hingegen nur 26 Prozent.

Neben dem Geschlecht wirkt sich der Migrationshintergrund auf das politische Interesse aus. Insbesondere Befragte ohne Migrationshintergrund bzw. Migrationshintergrund «DACH» sind neugieriger auf Politik als Befragte mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland».

Weiter zeigen sich schichtspezifische Unterschiede beim politischen Interesse. Vor allem Befragte, die der oberen Schicht zuzurechnen sind, geben öfters an, an Politik interessiert zu sein als andere Befragte. 65 Prozent der oberen Schicht können als politikinteressiert bezeichnet werden (Antwort «interessiert» und «stark interessiert»), bei der mittleren Schicht ist der Anteil 56 Prozent während er bei der unteren Schicht auf unter die Hälfte, auf 44 Prozent, sinkt.

Auch andere Faktoren haben einen Einfluss auf das Politikinteresse. So besteht etwa, wie die Ergebnisse zeigen, ein Zusammenhang zwischen dem eigenen Interesse an Politik und dem der Eltern. Je interessierter der eigene Vater oder die eigene Mutter an Politik sind, desto grösser ist das eigene Interesse. Dabei wirkt sich das Interesse des Vaters sowohl auf männliche als weibliche Befragte etwas stärker aus als das politische Interesse der Mutter.

Politische Information und Medien
Neben dem Interesse an politischen Zusammenhängen ist es für die Entwicklung einer politischen Meinung ganz entscheidend, sich über das politische Geschehen zu informieren. Das Sample der Online-Befragung teilt sich diesbezüglich in zwei ungefähr gleich grosse Gruppen: 48 Prozent geben an, sich aktiv über Politik zu informieren, 52 Prozent verneinen dies.

Dabei ist der Zusammenhang zwischen dem aktiven Informieren und dem politischen Interesse respektive dem Verständnis über Politik evident: Je grösser das politische Interesse ist und je umfangreicher die eigenen politischen Kenntnisse eingeschätzt werden, desto eher informieren sich die Jungen aktiv über Politik. Während sich von den Befragten, die sich aktiv kundig machen, 91 Prozent für Politik interessieren, sind es bei denjenigen, die sich nicht aktiv über Politik informieren, nur 28 Prozent. Anders formuliert: von den stark an Politik Interessierten informieren sich bis auf eine Ausnahme alle proaktiv, von den Interessierten informieren sich in etwa zwei Drittel, ein Drittel der Interessierten informiert sich nicht aktiv.

Ebenso wie das politische Interesse, ist das Informieren über politische Geschehnisse geschlechtsspezifisch geprägt. Wieder sind es die jungen Männern, die sich deutlich öfters als junge Frauen aktiv kundig machen. 64 Prozent der ersten Gruppe informiert sich aktiv, bei der zweiten Gruppe sind es hingegen 36 Prozent.

Schliesslich spielt das Alter der jungen Menschen eine Rolle. Je älter die Befragten sind, desto eher informieren sie sich über Politik. Beim politischen Interesse ist diesbezüglich kein Trend abzulesen.

Medien und politische Information
Für den politischen Diskurs sind Medien in modernen Demokratien entscheidend. Sie geben Parameter vor und bestimmen die Art und Weise der politischen Information. Welches sind nun die wichtigsten Medien, durch die sich junge Menschen in Liechtenstein über das politische Geschehen informieren?

Das wichtigste Medium der politischen Information ist das Internet (siehe Tabelle 34). 81 Prozent der Befragten informieren sich «online» über Politik. Mit etwas Abstand werden «Tageszeitungen» (59 Prozent der Befragten) als zweitwichtigstes Medium genannt. «Bei Bekannten und Verwandten» über Politik informiert sich etwas über die Hälfte der Befragten (52 Prozent). Ähnlich wichtig ist das «Fernsehen» (48 Prozent). Das «Radio» ist für weniger als ein Drittel der Befragten (30 Prozent) ein Medium der politischen Information. Noch weniger Relevanz besitzen «Wochenzeitungen» (17 Prozent der Befragten). 7 Prozent geben an, sich auf sonstigem Wege über Politik zu informieren. Tabelle 34 zeigt die Art der Mediennutzung nach verschiedenen Merkmalen und macht ihre Heterogenität deutlich.

«Wie informieren Sie sich über Politik?»

Interesse an politischen Themenbereichen

Zunächst ist festzuhalten, dass keinem der 11 vorgegebenen gesellschaftlichen Bereiche eine besondere Priorität zugesprochen wird (siehe Tabelle 35). Drei Bereiche werden von ungefähr 60 Prozent der Befragten als relevant erachtet. Es sind dies die Bereiche «Jugend» (60 Prozent), «Bildung, Wissenschaft und Forschung» (59 Prozent) und «Soziale Absicherung, Altersversorgung und Renten (57 Prozent). Die Prioritäten liegen mit den relativ breiten Bereichen «Jugend» und «Bildung» bei Themen, die die Befragten in ihrer Lebenswelt unmittelbar betreffen.

Weitere drei Themenbereiche werden von etwas weniger als der Hälfte der Befragten genannt: 46 Prozent sind der Meinung, dass im «Umwelt- und Naturschutz» mehr getan werden muss, 45 Prozent finden, das dies für den Bereich «Kinder und Familie» zutrifft, 44 Prozent sind für ein aktiveres Engagement im Bereich des Gesundheitssystems».

Ungefähr ein Viertel der Befragten nennt «Arbeitsmarkt» (28 Prozent), «Infrastruktur» (27 Prozent) und «Kultur» (25 Prozent) als Bereiche, in der die Gesellschaft Liechtensteins aktiv werden sollte. Ein Fünftel wählt die Antwortkategorie «wirtschaftliche Rahmenbedingungen», die es zu verbessern gilt. Für 12 Prozent trifft dies beim Bereich «innere Sicherheit» zu.

Dass das Interesse an politischen Themen nicht über alle Merkmale der Befragten hinweg gleich ist, macht ein Blick auf die Tabelle 35 deutlich.

«In welchen der folgenden Bereiche müssen wir als Gesellschaft in Liechtenstein besonders aktiv werden?»

Politische Einstellungen

Wie in der Einleitung bereits beschrieben, wurden die jungen Menschen danach gefragt, mit welchen Adjektiven sie ihre politischen Anschauungen einstufen würden. Dabei wird deutlich, dass bei den befragten Jungen eine «sozial»-«liberale» Einstellung dominiert (siehe Tabelle 36). 50 Prozent der Befragten ordnen sich der vorgegebenen Kategorie «sozial» zu, 44 Prozent schätzen sich als «liberal» ein. Die restlichen vorgegebenen Antwortkategorien werden von gut jeder vierten bis fünften Person gewählt. Als «grün» sehen sich 26 Prozent, als «internationalistisch» 24 Prozent, als «traditionell» bezeichnen sich 21 Prozent, als «progressiv» 21 Prozent, 17 Prozent bezeichnen sich als «konservativ». Am wenigsten ordnen sich die Befragten der Kategorie «nationalistisch» zu (12 Prozent).

«Wie würden Sie selbst Ihre politische Anschauung einstufen?»

Demokratie und politische Staatsform

9 von 10 Befragten (89 Prozent) halten die Demokratie allgemein für eine gute Staatsform. Nur 2 Prozent verneinen dies, 9 Prozent wählen die Antwortkategorie «Weiss nicht». Die Demokratie für eine schlechte Staatsform halten ausschliesslich männliche Befragte, 5 Prozent dieser Gruppe äussert diese Meinung. Stellt man konkreter die Frage, wie zufrieden oder unzufrieden die jungen Menschen mit der Staatsform, der konstitutionellen Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage, in Liechtenstein sind, ist die Zustimmung weniger deutlich. Dies liegt auch an differenzierteren Antwortmöglichkeiten. Ein gutes Drittel, 34 Prozent, ist «sehr zufrieden» mit der Staatsform, ein weiteres Drittel, ebenso 34 Prozent, ist «zufrieden». Die Antwortkategorie «teils/teils» wählen 13 Prozent der Befragten. Eine negative Einstellung zeigt eine kleine Minderheit der Befragten: «eher unzufrieden» sind 9 Prozent, «sehr unzufrieden» 4 Prozent. 4 Prozent geben als Antwort «Weiss nicht» (es sind insbesondere jüngere Befragte, die diese Antwortkategorie wählen).

Die konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage erweist sich im Vergleich mit anderen Staatsformen als beliebteste Art (siehe Tabelle 37). Die Hälfte der Befragten erachtet sie als «ideal für unsere Zukunft». Mit grossem Abstand folgt mit einer Zustimmung von 21 Prozent eine föderale Republik mit Direktorialsystem, das im Fragebogen als basisdemokratisches System wie in der Schweiz beschrieben wird. Andere Formen politischer Systeme finden deutlich weniger Zustimmung: 5 Prozent der Befragten sprechen sich für eine Republik mit einem parlamentarischen Regierungssystem wie in Deutschland aus. Dass eine starke Figur oder eine starke Partei alleine regieren soll, findet nur kleine Minderheit, nämlich drei Befragte. Für ein Einparteiensystem wie in China spricht sich gar eine einzige Person aus. 6 Prozent der Befragten formulieren eine gewisse Unzufriedenheit mit dem jetzigen System, das ihnen «nicht besonders» gefällt, sie aber mangels Alternativen unterstützen – «es gibt nichts Besseres». Schliesslich ist sich eine grosse Gruppe an Befragten, nämlich 17 Prozent, unsicher und gibt als Antwort «Weiss nicht» an.

«Welche Staatsform ist Ihrer Meinung nach ideal für unsere Zukunft?»

Die Haltung politischen Systemen gegenüber hängt bei den Befragten signifikant mit der politischen Einstellung zusammen. Insbesondere Befragte, die der Gruppe der Konservativ-Traditionellen zugeordnet werden, befinden zu 73 Prozent die konstitutionelle Erbmonarchie als zukunftstauglichstes System, während weniger als die Hälfte der Befragten aus dem sozial-liberalen Spektrum diese Meinung teilen. Bei Grün-Progressiven stimmt lediglich ein Viertel dem zu. Die letzten zwei Gruppen befinden deutlich häufiger als die Gruppe der Konservativ-Traditionellen eine föderale Republik als ideale Staatsform. Ebenso sind diese beiden Gruppen weniger gefestigt, was ihre Einschätzung betrifft: sie geben zu 18 bzw. 24 Prozent an, dass sie schlichtweg nicht wissen, was die ideale Staatsform für die Zukunft ist.

Tabelle 38 veranschaulicht die Antworten auf verschiedene Aussagen, die die «Praxis» der Politik beziehungsweise konkrete politische Fragen betreffen. Es sind Äusserungen, die sich auf die konkrete Ausgestaltung eines politischen Gemeinwesens oder die greifbaren Aufgaben und Möglichkeiten seiner Mitglieder beziehen.

«Inwiefern empfinden Sie folgende Aussagen als zutreffend oder nicht zutreffend?»

Die grösste Zustimmung wird deutlich bei der Einschätzung, dass es in jeder Demokratie die Pflicht ist, sich regelmässig an Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen. 84 Prozent der Befragten stimmen «eher» oder «voll und ganz» dieser Aussage zu und bekräftigen damit eine Sichtweise, die die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger als fundamental für das Funktionieren einer Demokratie bestimmt.

Eine ebenfalls grosse Zustimmung erhält die Aussage, dass in der Politik mehr junge Menschen etwas zu sagen haben sollten. Hier sind es 67 Prozent, die dieser Einschätzung «eher» oder «voll und ganz» zustimmen. Dabei unterscheidet sich das Antwortverhalten je nach politischer Einstellung: lediglich etwas über die Hälfte, 54 Prozent, der Befragten aus dem konservativ-traditionellen Spektrum stimmen «eher» (36 Prozent) oder «voll und ganz» (19 Prozent) dieser Meinung zu, bei den Sozial-Liberalen sind es 72 Prozent («eher» 45 Prozent, «voll und ganz» 28 Prozent), bei den Grün-Progressiven 76 Prozent («eher» 34 Prozent, «voll und ganz» 42 Prozent).

Knapp die Hälfte, 49 Prozent, unterstützt tendenziell die Aussage, dass eine lebensfähige Demokratie ohne politische Opposition nicht denkbar ist. Auffallend ist mit etwas über einem Viertel die hohe Zahl an «Weiss nicht»-Antworten. Mit einem Anteil von 35 Prozent sind es insbesondere junge Frauen, die angeben, über diese Äusserung keine Meinung zu haben oder zu wenig darüber zu wissen. Ebenso weichen sie mit 21 Prozent deutlich öfters auf die «teils/teils»-Kategorie aus als ihre männlichen Altersgenossen, die das zu 13 Prozent tun. So wird die «Weiss nicht»-Kategorie insbesondere bei jüngeren Befragten gewählt, fast ein Viertel bei der Altersgruppe der 1998 bis 2001 Geborenen.

Umstritten ist die Aussage, dass sich Politiker und Politikerinnen «darum kümmern, was Leute wie ich denken». Knapp ein Drittel unterstützt diese Äusserung, fast die gleiche Anzahl an Befragten ist der Meinung, dass sich Politiker und Politikerinnen nicht genug für sie interessieren. Die Antworten sind signifikant schichtabhängig: Ein Viertel aus der unteren Schicht ist «voll und ganz» der Meinung, dass sich Politiker und Politikerinnen nicht um sie kümmern. Zusammen mit den 28 Prozent, die «eher» dieser Meinung sind, ergibt sich eine knappe Mehrheit bei dieser Gruppe der Befragten, die das Gefühl haben, von Politikerinnen und Politikern vernachlässigt zu werden. Bei Befragten aus der mittleren Schicht sind 39 Prozent «eher» und «voll und ganz» der Meinung, dass sich Politiker und Politikerinnen nicht darum kümmern, was Leute wie sie denken. Bei den Befragten aus der oberen Schicht trifft dies auf 29 Prozent zu. Hier wird eine grosse Skepsis gegenüber «den» Politikerinnen und Politikern deutlich.

Die Aussage, dass es in jeder Gesellschaft Konflikte gibt, die nur mit Gewalt ausgetragen werden können, stimmt lediglich eine kleine Minderheit zu («eher» 3 Prozent, «voll und ganz» 1 Prozent). 64 Prozent empfinden diese Aussage als «überhaupt nicht zutreffend», 20 Prozent als «eher nicht zutreffend».

Exkurs: Wenig Engagement und Vertrauen in die institutionelle Politik

Die politischen Player und die Politik sind für die meisten Jungen der beiden Gruppengespräche sehr abstrakte Grössen und relativ weit weg vom eigenen Alltag. Weder Politiker und Politikerinnen, Parteien noch die Regierung werden bei der offenen Frage nach wichtigen Akteurinnen und Akteuren im Lande erwähnt. In politische Prozesse involviert sind keine der Gesprächsteilnehmenden, und sie verspüren dazu weder Lust, noch wüssten sie genau, wo sie ansetzen müssten.

Dazu kommt die Ansicht der Jungen, dass viele der in der Politik Aktiven im Land wohl eher wegen ihres Bekanntheitsgrads statt wegen ihrer Kompetenzen gewählt würden. Persönliche Kontakte mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik bestehen kaum, selten über Menschen oder Parteien, die der Familie nahe stehen oder wenn sich ein Kontakt an einer Veranstaltung im Land ergibt. Dabei zeigt sich in den Gesprächen erneut, wie wenig Vertrauen die Jungen den Politikerinnen und Politiker entgegenbringen.

Dabei wissen die Jungen vom Hören-Sagen und aus ihrer Schulbildung um politische Prozesse und Abläufe im Land, doch sobald es um darum geht, dass oder wie konkrete Anliegen in politische Prozesse eingebracht werden könnten, kapitulieren die meisten.

«Also, bei uns, ich sage jetzt mal: Man kommt nicht in den Landtag, weil man der Beste ist, sondern weil man der Bekannteste oder Freundlichste ist.»

Diese schwache Wahrnehmung der Politik wird dabei nicht als problematisch eingeschätzt, mit dem Nachdruck, dass das Fürstenhaus ja sowieso über ein Veto- und Petitionsrecht verfüge.

«Ich habe mitbekommen, was im Schwimmverein, im Hallenbad ist […] und dann denke ich: Wenn wir schon Probleme haben, die Schwimmbahnen einzuteilen, will ich gar nicht wissen, wie frustrierend es ist, in der Politik zu hocken.»

«Ja, ich finde, du hast etwas angesprochen, das mich ein bisschen betrifft: Politik. Wenn mich irgendetwas begeistern würde, wüsste ich eigentlich gar nicht, wo anzusetzen oder wie ich anfangen könnte, irgendetwas zu machen. Nur schon das fühlt sich ein bisschen überfordernd an. Und dann lasse ich das lieber sein, anstatt aktiv mitzuwirken.»