Werte

Gelingende soziale Beziehungen sind die wichtigsten Dinge im Leben junger Menschen. Sie wollen zudem das Leben in vollen Zügen geniessen und dabei eigenverantwortlich leben und handeln. Während sie mit dem eigenen Leben recht zufrieden sind und die persönliche Aussichten positiv einschätzen, sind die 16- bis 25-Jährigen, was die Zukunft der Gesellschaft betrifft, skeptischer eingestellt. Am wenigsten Sorgen macht jungen Menschen Kleinkriminalität und Zuwanderung.

Werte lassen sich als allgemeiner Orientierungsrahmen für das Denken und Handeln begreifen. «Im soziologischen Sinne kann man unter Werten die bewussten oder unbewussten Vorstellungen der Mitglieder einer Gesellschaft verstehen, was man erstrebt und wie man handeln soll». Soziale Normen regeln das Zusammenleben und machen das Leben planbar. Sie geben in gewisser Weise vor, wie gehandelt werden soll und sind insofern verbindlicher als Werte. Innerhalb einer Gesellschaft können sich unterschiedliche Wertvorstellungen herausbilden.

Was im Leben zählt

Fragt man junge Menschen danach, was  ihrer Meinung nach bei ihnen und ihren Kollegen und Kolleginnen «in» und «out» ist, nimmt der Wert der «Treue» den ersten Platz ein (siehe Tabelle 12). Es ist der Wunsch nach Sicherheit und langfristiger Bindung, nach Verlässlichkeit in den sozialen Beziehungen, der hier seinen Ausdruck findet.

«Was ist Ihrer Meinung nach bei Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen ‹in› oder ‹out›?»

Als relevant eingeschätzt werden Verhaltensweisen und Aktivitäten, die auf das individuelle Fortkommen und die persönliche Entwicklung abzielen. So liegt mit 93 Prozent «Karriere» in der Liste auf Platz 2, gefolgt von «Ins Ausland gehen» mit 92 Prozent. Mit Zustimmungswerten von  über 80 Prozent scheinen zwei weitere dementsprechende Aktivitäten auf: «Verantwortung übernehmen» ist für 89 Prozent der Befragten «in», «Dinge selber machen» kommt auf eine Zustimmungsrate von 86 Prozent. Wichtig für die befragten Jungen sind «Draussen sein» und«Sporttreiben». Dies korrespondiert mit der hohen Vereinszugehörigkeit (siehe Tabelle 5) und den häufig ausgeübten Freizeitaktivitäten (siehe Tabelle 3), bei denen sportliche Tätigkeiten einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Diese drei Bereiche erreichen Zustimmungsraten von  jeweils über 90 Prozent.  Mehrheitlich als «out» eingeschätzt werden von den 25 vorgegebenen Bereichen hingegen lediglich fünf: So schätzen Befragte Bioläden und Bürgerinitiativen eher «out» als «in» ein. Die letzten drei Stellen der Rangliste nehmen das Rauchen von Zigaretten, Aktien und Drogen ein – hier sind weniger als ein Viertel der Meinung, dass diese Dinge «in» sind.

Bei diesen Stellungnahmen der Befragten zu Objekten, Beschäftigungen und Verhaltensweisen, die ihnen als «in» oder «out» erscheinen, werden signifikante Unterschiede zwischen den Jungen sichtbar.

So werden am häufigsten geschlechtsspezifische Unterschiede im Antwortverhaltung deutlich (siehe Tabelle 13): Bei 10 der 25 vorgegebenen Tätigkeiten und Werten geben weibliche und männliche Befragte signifikant verschiedene Antworten. Junge Frauen erachten häufiger als junge Männer «Bioläden» (59 zu 33 Prozent) als «in», zudem «Heiraten» (59 zu 43 Prozent), «An etwas Glauben» (59 zu 48 Prozent), «Europa» (82 zu 71 Prozent) und «Ins Ausland gehen» (96 zu 87 Prozent). Männliche Befragte schätzen hingegen andere Dinge als «in» ein, so «Technik» (90 zu 60 Prozent), «Sich in die Politik einmischen» (61 zu 43 Prozent), «Aktien» (32 zu 16 Prozent), «Bürgerinitiativen» (41 zu 27 Prozent) und «Drogen nehmen» (28 zu 18 Prozent).

«Was ist Ihrer Meinung nach bei Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen ‹in›?»

Je nach politischer Einstellung verschieden sind die Einschätzungen, ob «Europa» und «Liechtenstein» «in» oder «out» sind. Befragte, die sich im konservativ-traditionellen Spektrum verorten, sind eher der Meinung, dass «Liechtenstein» «in» ist (82 Prozent), während Sozial-Liberale (71 Prozent) und Grün-Progressive (67 Prozent) diese Einschätzung weniger deutlich teilen. Bei «Europa» verhält es sich umgekehrt: hier gilt «Europa» den Grün-Progressiven am ehesten als «in» (90 Prozent); Sozial-Liberale (77 Prozent) und Konservativ-Traditionelle (68 Prozent) sind hier anderer Ansicht.

Auch der Migrationshintergrund hat Auswirkungen auf das Antwortverhalten: Personen ohne Migrationshintergrund denken eher als andere Befragte, dass «Liechtenstein» «in» ist, dasselbe denken sie über «Sport treiben» und «Drogen nehmen». Schichtspezifische Unterschiede zeigen sich bei der Einschätzung, ob «Liechtenstein» und «Sich in die Politik einmischen» «in» sind. Insbesondere Befragte aus der mittleren Schicht halten «Liechtenstein» für «in», um etwa 10 Prozentpunkte mehr als Befragte aus der oberen Schicht und weitere 10 Prozentpunkte mehr als Personen aus der unteren Schicht.

Ähnliche Unterschiede findet man bei der Tätigkeit «Sich in die Politik einmischen»: Befragte aus der oberen Schicht schätzen diese Tätigkeit um 10 Prozentpunkte mehr als «in» ein als Personen aus der mittleren Schicht und 20 Prozentpunkte mehr als Befragte, die der unteren Schicht zuzuordnen sind. Signifikante Unterschiede gibt es schliesslich zwischen den Altersgruppen: umso jünger die Befragten, desto öfters halten sie das «Online sein» für «in». Dasselbe trifft auf die Aktivität «Markenkleidung tragen» zu: je älter die Personen sind, umso weniger «in» ist es, Markenkleidung zu tragen.

Die wichtigen Dinge im Leben
Die wichtigsten Dinge im Leben der befragten Jungen beinhalten eine soziale Dimension – die ersten drei Plätze im Ranking nehmen soziale Beziehungen ein (siehe Tabelle 14): Ein gelingendes Leben beinhaltet gute Freunde und Freundinnen, die einem Anerkennung und Akzeptanz entgegenbringen. Es umfasst eine vertrauensvolle Partnerin oder einen vertrauensvollen Partner. Ebenso gehört ein gutes Familienleben dazu, wobei die Familie für junge Menschen in der Regel die Herkunftsfamilie darstellt.


«Jeder Mensch hat bestimmte Vorstellungen, die sein Leben und Verhalten bestimmen. Wenn Sie daran denken, was Sie in Ihrem Leben anstreben: Wie wichtig sind folgende Dinge für Sie persönlich?»

Weiter haben individuelle Werte durchaus hedonistischer und karriereorientierter Art einen zentralen Stellenwert, wenn auch nicht durchgängig. Eigenverantwortlich leben und handeln steht an vierter Stelle, das Leben in vollen Zügen geniessen, nimmt den fünften Platz im Ranking ein. Zudem ist den Befragten wichtig, von anderen Menschen unabhängig sowie fleissig und ehrgeizig zu sein. Eine zu offensichtlich gegen andere gerichtete Mentalität – sich und seine Bedürfnisse gegen andere durchzusetzen – findet hingegen weniger Anklang. Materielle Werte sind für die Befragten von geringer Relevanz: das Erreichen eines hohen Lebensstandards ist erst in der unteren Hälfte des Rankings zu finden. Eine noch geringere Zustimmung erhalten die Vorstellungen, den materiellen Wohlstand zu geniessen und ein Haus zu besitzen.

Altruistische Werte finden sich im Ranking im Mittelfeld, so etwa die Vorstellung, dass man sich unter allen Umständen umweltbewusst verhalten oder etwa sozial Benachteiligten helfen soll. Wenig Wert nimmt in den Vorstellungen eines gelingenden Lebens politisches Engagement ein. Auch Werte wie Tradition und der Glaube an Gott erhalten wenig Zustimmung.

Ebenso wie bei der Einschätzung, was als «in» und «out» gilt, zeigen sich bei den Vorstellungen, was zu einem gelingenden Leben gehört, Unterschiede bei den Befragten.

Da ist zunächst eine Vielzahl an geschlechtsspezifischen Differenzen bei der Einschätzung gegeben, was die wichtigen Dinge im Leben betrifft: So ist es jungen Frauen wichtiger als jungen Männern, sozial Benachteiligten und gesellschaftlichen Randgruppen zu helfen. Sie wollen eher unter allen Umständen umweltbewusst handeln und auf ihre Gesundheit achten. Sie finden es zudem bedeutsamer, die Vielfalt der Menschen zu akzeptieren und zu respektieren und auch solche Meinungen zu tolerieren, denen man eigentlich nicht zustimmen kann. Weiblichen Befragten ist es in ihrem Leben wichtiger als männlichen Befragten, sich bei ihren Entscheidungen auch von ihren Gefühlen leiten lassen. Zudem geben sie öfters an, dass ihnen ein gutes Familienleben wichtig ist. Sie streben eher nach Sicherheit, wollen eher eigenverantwortlich handeln und von anderen Menschen unabhängig sein als es junge Männer tun und sein wollen. Diese wiederum geben häufiger an, dass ihnen Macht und Einfluss wichtig sind. Auch hat politisches Engagement für sie einen grösseren Stellenwert.

Blickt man auf schichtspezifische Unterschiede, wird deutlich, dass Befragten aus der oberen Schicht Macht und Einfluss wichtiger sind als Befragten aus der mittleren und unteren Schicht. Zudem schätzen sie eher einen hohen Lebensstandard und wollen ein gutes Familienleben führen – hier sind es insbesondere Menschen aus der unteren Schicht, denen ein gutes Familienleben deutlich weniger bedeutsam ist.

Beim Migrationshintergrund zeigt sich beispielsweise, dass es Personen ohne Migrationshintergrund wichtiger als anderen Befragten ist, am Traditionellen festzuhalten und stolz zu sein auf die liechtensteinische Geschichte und das Land. Zudem geben sie häufiger an, dass ihnen Sicherheit wichtig ist und auch das zu tun, was die anderen tun.

Schliesslich werden auch hinsichtlich der politischen Einstellung Unterschiede zwischen den jungen Menschen erkennbar. Für Befragte, die sich dem konservativ-traditionellen Spektrum zuordnen, ist der Respekt vor Gesetz und Ordnung deutlich wichtiger als den anderen befragten Personen. Auch halten sie es für wertvoller, an Gott zu glauben, am Traditionellen festzuhalten und auf die liechtensteinische Geschichte und das Land stolz zu sein. Gemeinsam mit sozial-liberalen Befragten hat für sie ein eigenes Haus, im Gegensatz zu Grün-Progressiven, einen höheren Stellenwert. Letzterer Gruppe hingegen ist es wichtiger, die eigene Phantasie und Kreativität zu entwickeln, unter allen Umständen umweltbewusst zu handeln, sozial Benachteiligten und gesellschaftlichen Randgruppen zu helfen und die Vielfalt der Menschen zu akzeptieren und zu respektieren.

Zufriedenheit und Ängste

Die Befragten kennzeichnet eine hohe Zufriedenheit mit dem eigenen Leben (siehe Tabelle 15). Knapp 80 Prozent sind mit ihrem Leben sehr oder eher zufrieden. Eher und sehr unzufrieden sind etwa 9 Prozent.

«Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben?»

Deutlich werden schichtspezifische Unterschiede zwischen den Jungen: Während rund 43 Prozent der Befragten aus der mittleren und oberen Schicht mit ihrem Leben sehr zufrieden sind, liegt der Anteil bei den Befragten aus der unteren Schicht bei weniger als der Hälfte, bei nur 20 Prozent.

Die eigene Zukunft wird ebenfalls positiv eingeschätzt (siehe Tabelle 16). Auch sie ist durch eine hohe Zuversicht gekennzeichnet. Ein Drittel sieht seiner Zukunft positiv entgegen, etwas mehr als die Hälfte schätzt sie als eher gut ein. Negativ eingestellt ist diesbezüglich eine kleine Minderheit von 2 Prozent.

«Wie schätzen Sie im Grossen und Ganzen Ihre persönliche Zukunft ein?»

Deutlich skeptischer als die persönliche Zukunft schätzen die Jungen «im Grossen und Ganzen die Zukunft unserer Gesellschaft» ein (siehe Tabelle 17). Insbesondere junge Frauen sind hier deutlich skeptischer als ihre Altersgenossen. Während 48 Prozent der männlichen Befragten die Zukunft als sehr gut oder eher gut einschätzen, tun dies die weiblichen Befragten nur zu 32 Prozent.

«Wie schätzen Sie im Grossen und Ganzen die Zukunft unserer Gesellschaft ein?»

Welche Bereiche bereiten den Jungen in Liechtenstein Sorgen? Die Umweltverschmutzung sowie den Klimawandel nennen etwa 4 von 5 Befragten als die Bereiche, die ihnen Ängste bereiten (siehe Tabelle 18). Mehr als zwei Drittel nennen die soziale Ungerechtigkeit. Sorgen machen sich die Jungen auch über Gewalt, die medial vermittelt präsent ist: Terroranschläge und eine Kriegsgefahr in Europa werden von mehr als der Hälfte genannt, während die persönlichen Bedrohungen – dass man geschlagen wird, dass einem etwas gestohlen wird – lediglich gut einem Viertel Angst machen. Deutlich von der Mehrheit genannt werden zudem die Angst vor einer schweren Krankheit und der Verlust von Freiheitsrechten.

Relativ wenig Sorgen machen sich die Befragten lediglich bei vier der 14 vorgegebenen Dinge: Dass die EU auseinanderbricht, macht knapp zwei Drittel keine Angst. Dass sie jemand bedroht oder schlagen könnte, dass ihnen etwas gestohlen werden könnte, aber auch die Zuwanderung, macht drei Viertel der jungen Menschen keine Angst.

«Machen Ihnen persönlich folgende Dinge Sorgen oder keine Sorgen?»

Junge Frauen bringen über die verschiedenen Bereiche hinweg in deutlich höherem Masse ihre Sorgen zum Ausdruck als ihre männlichen Altersgenossen. Die weiblichen Befragte antworten bei folgenden Dingen signifikant anders als männliche Befragte: Umweltverschmutzung (86 zu 73 Prozent), der Klimawandel (83 zu 70 Prozent), Terroranschläge (77 zu 46 Prozent), dass in Europa ein Krieg ausbricht (73 zu 38 Prozent), dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren oder keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz finden können (59 zu 38 Prozent), die Ausländerfeindlichkeit (55 zu 44 Prozent), dass sie jemand bedroht oder schlagen könnte (30 zu 20 Prozent).

Zudem finden sich schichtspezifische Unterschiede: So haben Befragte aus der oberen Schicht deutlich weniger Angst, dass sie jemand bedroht oder schlagen könnte (19 Prozent) als Befragte aus der unteren (31 Prozent) oder mittleren Schicht (32 Prozent). Die untere Schicht gibt deutlich öfters an, die Sorge zu haben, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren oder keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz finden kann (66 Prozent). Bei Angehörigen aus der mittleren und oberen Schicht ist dies weitaus weniger oft der Fall (48 und 46 Prozent).

Die Unterschiede hinsichtlich des Migrationshintergrundes beziehen sich auf mehrere Bereiche. So auf die Sorge vor Bedrohung und erfahrener Gewalt: Es sind hier Befragte ohne Migrationshintergrund, die zu 38 Prozent diese Angst ausdrücken, während es bei Personen mit Migrationshintergrund «DACH» 20 Prozent und «sonstiges Ausland» 21 Prozent sind. Die Sorge, den Arbeitsplatz zu verlieren, teilen insbesondere Personen mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» (69 Prozent), während dies die Gruppe ohne Migrationshintergrund (49 Prozent) und mit Migrationshintergrund «DACH» (45 Prozent) deutlich weniger tut. Auch die Angst vor Ausländerfeindlichkeit ist bei der Gruppe der Befragten mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» deutlich höher als bei den anderen Gruppen (61 Prozent zu 52 Prozent bei Personen mit Migrationshintergrund «DACH» und 41 Prozent bei Personen ohne Migrationshintergrund). Hingegen sorgen sich Personen ohne Migrationshintergrund am ehesten vor Zuwanderung (34 Prozent zu 24 Prozent bei Migrationshintergrund «DACH» und 15 Prozent bei Personen mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland»). Schliesslich die soziale Ungerechtigkeit: Hier sorgen sich insbesondere Personen aus dem «sonstiges Ausland» (81 Prozent), bei der Gruppe mit Migrationshintergrund «DACH» ist dies bei 75 Prozent der Fall, bei Personen ohne Migrationshintergrund sorgen sich diesbezüglich 63 Prozent.

Auch hinsichtlich der politischen Einstellung werden signifikante Unterschiede deutlich: Grün-Progressive (90 Prozent) sorgen sich eher wegen der Umweltverschmutzung als Sozial-Liberale (82 Prozent) und Konservativ-Traditionelle (72 Prozent). Das gleiche gilt für den Klimawandel: Grün-Progressive äussern hier zu 88 Prozent ihre Besorgnis, Sozial-Liberale zu 78 Prozent, Konservativ-Traditionelle zu 68 Prozent. Auch macht die Ausländerfeindlichkeit Grün-Progressiven (70 Prozent) deutlich mehr Angst als Sozial-Liberalen (55 Prozent) und Konservativ-Traditionellen (29 Prozent). Dass die EU auseinanderbricht, löst schliesslich bei 46 Prozent der Grün-Progressiven eine Sorge aus, während es dies bei 38 Prozent der Sozial-Liberalen und bei 27 Prozent der Konservativ-Traditionellen tut. Auch bei der Sorge um die soziale Ungerechti eit liegen Grün-Progressive mit 80 Prozent knapp vor Sozial-Liberalen mit 79 Prozent, aber deutlich vor Konservativ-Traditionellen mit 57 Prozent. Anders sieht die Reihenfolge lediglich bei der Zuwanderung aus: Hier sorgen sich Konservativ-Traditionelle mit 43 Prozent in deutlich grösserem Ausmass als Sozial- Liberale mit 19 Prozent und Grün-Progressive mit 13 Prozent.

Erfahrene Benachteiligung

Die jungen Menschen machen in ihrem Leben relativ selten Erfahrungen mit Benachteiligung. Dass sie wegen bestimmter Eigenschaften oft benachteiligt werden, geben jeweils nur ein paar Prozent der Befragten an (siehe Tabelle 19). Lediglich das Alter wird von 9 Prozent als Grund für eine oft geschehende Benachteiligung genannt. Dies ist auch die Eigenschaft, bei der der Anteil der Jungen, die nie diese Erfahrung machen, mit 42 Prozent deutlich am geringsten ist.

«Es kommt vor, dass man im Leben benachteiligt wird. Wie ist das bei Ihnen selbst? Sind Sie aufgrund der folgenden Dinge schon oft, ab und zu oder nie benachteiligt worden?»
Bei einigen Erfahrungen gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Befragten. So haben etwa weibliche Befragte im Vergleich zu ihren männlichen Altersgenossen öfters die Erfahrung gemacht, wegen ihres Geschlechts benachteiligt zu werden. Weiter geben Personen mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» vergleichsweise öfters an, wegen ihrer Nationalität benachteiligt zu werden. Dasselbe trifft auch für Befragte zu, die der unteren Schicht zuzuordnen sind. Diese Gruppe gibt zudem vergleichsweise öfters als Befragte aus der mittleren und oberen Schicht an, wegen ihres Äusseren Benachteiligung erfahren zu haben. Auch über die Erfahrung, wegen der sozialen Herkunft bzw. der sozialen Schicht benachteiligt zu werden, verfügen die Befragten nicht gleichermassen: Insbesondere Personen mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» und junge Menschen aus der unteren sozialen Schicht, machen vergleichsweise oft diese Erfahrung. Befragte ohne Migrationshintergrund machen eine Erfahrung öfters als andere: dass sie benachteiligt werden, weil sie in Liechtenstein leben. Schliesslich haben junge Männer die Erfahrung öfters als junge Frauen gemacht, wegen ihrer politischen Einstellung benachteiligt zu werden.

Familienbilder und Geschlechternormen

Das Zusammenleben der Generationen als Familie und das Verhältnis und der Umgang der Geschlechter ist von vielfältigen normativen und kulturellen Vorstellungen geprägt.

Familie als normative Grösse
Wie im Werte-Kapitel deutlich wurde, sind für junge Menschen Werte wie Treue und gelingende soziale Beziehungen von hoher Relevanz in ihrem Leben. Die Familie gilt in geradezu idealtypischer Weise als Garantin dieser Normen.

Auch in der Befragung kommt der Familie ein besonderes Gewicht zu. Die Hälfte der befragten Jungen ist der Meinung, dass man zum glücklich sein eine Familie braucht (siehe Tabelle 20). Hierbei kann Familie die eigene Herkunftsfamilie oder die Gründung einer eigenen Familie meinen. Ein knappes Drittel ist hingegen der Meinung, dass man alleine genauso glücklich leben kann.


«Meinen Sie zum glücklich sein braucht es eine Familie oder denken Sie, dass glücklich sein auch alleine möglich ist?»

Während die Familie einen hohen Wert einnimmt, ist bei der Frage nach eigenen Kindern, die man zum glücklich sein braucht oder nicht, die Zustimmung deutlich geringer (siehe Tabelle 21). Während 11 Prozent der Meinung sind, dass man eigene Kinder zum glücklich sein braucht, ist eine deutliche Mehrheit, 63 Prozent, der Ansicht, dass man ohne Kinder genauso glücklich leben kann. 3 Prozent meinen, dass man ohne Kinder glücklicher leben kann. 23 Prozent sind bei dieser Frage unentschieden.


«Wie ist es mit Kindern. Braucht es eigene Kinder um wirklich glücklich zu sein oder ist glücklich sein auch ohne eigene Kinder möglich?»

Die Ansichten zu dieser Frage unterscheiden sich je nach Migrationshintergrund der Befragten: Insbesondere die Personen mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» sind am häufigsten der Ansicht, dass man eigene Kinder braucht, um glücklich zu sein. 22 Prozent sind dieser Meinung, während bei Personen aus dem «DACH»-Raum 11 Prozent und bei der Gruppe ohne Migrationshintergrund 7 Prozent diese Meinung teilen. Die Einschätzung, dass man ohne Kinder genauso glücklich leben kann, ist bei der Gruppe mit Migrationshintergrund «DACH» mit 67 Prozent am meisten verbreitet; mit knappem Abstand folgen mit 63 Prozent die Personen ohne Migrationshintergrund, während bei den Befragten mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» lediglich 48 Prozent der Meinung sind, dass man ohne Kinder genauso glücklich leben kann.

Obwohl die Mehrheit der Meinung ist, dass man ohne Kinder genauso glücklich leben kann, ist der Wunsch nach eigenen Kindern dennoch sehr präsent (siehe Tabelle 22). Nur 5 Prozent geben an, keine Kinder haben zu wollen. Knapp 20 Prozent wissen es noch nicht. Hingegen geben drei Viertel an, Kinder haben zu wollen. Dabei äussern 33 Prozent den Wunsch nach zwei Kindern, drei oder mehr Kinder wünschen sich 14 Prozent, ein Kind will lediglich 1 Prozent der Befragten. 28 Prozent wollen Kinder, können aber noch keine Auskunft über die Anzahl machen. Im Sample haben übrigens lediglich drei Personen zumindest ein Kind.


«Möchten Sie später (weitere) Kinder haben?»

Geschlechternormen

Die gesellschaftlichen Rollen nicht nur junger Menschen sind an eine Reihe von Erwartungen an Männlichkeit und Weiblichkeit, Familienmodelle, Wertehaltungen und Vorstellungen gebunden. Festgeschriebene und reproduzierte Geschlechterdifferenz trägt zur symbolischen und strukturellen Gesellschaftsordnung und ihrer Gewährleistung bei. Mit Aussagen konfrontiert, zeigen die Befragten ein in vielen Bereichen egalitäres Verständnis, was das Verhältnis der Geschlechter anbelangt (siehe Tabelle 23). So sind fast 90 Prozent der Ansicht, dass Mann und Frau bei der Kindererziehung gleich viele Aufgaben übernehmen sollten. Dies vermutlich auch deshalb, weil über 90 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass Vater und Mutter für Kinder gleich wichtig sind. Aber auch, dass die Arbeit im Haushalt gleichberechtigt von Mann und Frau übernommen werden sollte, meinen fast 80 Prozent.


«Was denken Sie über folgende Aussagen?»

Trotz der allgemein hohen Zustimmungsrate zu den Aussagen, sind zwischen männlichen und weiblichen Befragten signifikante Unterschiede im Antwortverhalten sichtbar: So stimmen junge Frauen (92 Prozent) noch mehr als junge Männer (81 Prozent) der Aussage zu, dass bei der Kindererziehung die Aufgaben gleichmässig verteilt werden sollen. Auch sind junge Frauen mit einer Zustimmungsrate von 82 Prozent häufiger als junge Männer (73 Prozent) der Ansicht, dass die Aufgaben im Haushalt gleichmässig aufzuteilen sind. Neben dem Geschlecht wirkt sich bei diesen Einschätzungen auch die politische Einstellung aus: Insbesondere grün-progressive Befragte sind der Meinung, dass Mann und Frau sowohl bei der Kindererziehung als auch bei den Arbeiten im Haushalt gleich viele Aufgaben übernehmen sollen. Während Sozial-Liberale eine ähnliche Einstellung haben – wenn auch mit geringerer Zustimmung zu den Aussagen –, sind insbesondere Personen aus dem konservativ-traditionellen Spektrum in deutlich geringerem Ausmass der Meinung, dass die Aufgaben gleichermassen verteilt werden sollen.

Hohe Zustimmungsraten zeigen sich auch bei den Aussagen, dass für eine Frau Erfolg im Beruf wichtig ist, dass Frauen in Politik und Wirtschaft mehr zu sagen haben sollen und dass sich Frauen ebenso gut durchsetzen können wie Männer. Bei allen drei Aussagen antworten weibliche und männliche Befragte deutlich unterschiedlich: stets stimmen junge Frauen eher zu als junge Männer. Bei der Einschätzung, ob Frauen in Politik und Wirtschaft mehr zu sagen haben sollten, gibt es zudem einen Unterschied je nach politischer Einstellung: Während Befragte mit grün-progressiver Einstellung zu 90 Prozent und Sozial-Liberale zu 88 Prozent dieser Aussage zustimmen, liegt die Zustimmung bei konservativ-traditionellen Personen bei 73 Prozent. Auch bei der Frage, ob für einen Mann der Beruf wichtiger ist als für eine Frau, sind Unterschiede nach politischer Einstellung deutlich: Gute 25 Prozent der Grün-Progressiven und Sozial-Liberalen stimmen dieser Aussage zu, bei Konservativ-Traditionellen liegt die Zustimmung bei 45 Prozent.

Die geringste Zustimmung erreichen unter den jungen Menschen die Aussagen, dass eine Frau einen starken Mann an ihrer Seite braucht und ein Mann eine fürsorgliche Frau, die ganz für ihn da ist. Auch wenn die Zustimmung im Vergleich zu den anderen Aussagen geringer ist, ist immer noch die Mehrheit der Befragten dieser Ansicht. Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Zustimmung sind nicht vorhanden, lediglich die politische Einstellung wirkt sich auf die Zustimmung zu diesen Aussagen aus. Bei der Frage nach dem starken Mann, den ein Frau an ihrer Seite benötigt, sind Befragte aus dem konservativ-traditionellen Spektrum mit 72 Prozent Zustimmung deutlich anderer Meinung als Sozial- Liberale (50 Prozent) und Grün-Progressive (41 Prozent). Auch bei der Aussage, dass ein Mann eine fürsorgliche Frau braucht, die ganz für ihn da ist, sind Konservativ-Traditionelle mit einer Zustimmung von 75 Prozent deutlich anderer Ansicht als Sozial-Liberale (55 Prozent) und Grün-Progressive (49 Prozent).